Nach dem Auffliegen eines Doping-Netzwerks am Rand der Nordischen Ski-WM in Seefeld haben sich die Vermutungen bestätigt, dass noch andere Sportarten ins Visier geraten werden. Durch die Ermittlungen gegen den deutschen Sportmediziner Mark S. (40) aus Erfurt und dessen Komplizen kam nun der Tiroler Radrennfahrer Stefan Denifl ins Visier der Justiz und der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA. Er wurde am Freitag zwecks Einvernahme sogar vorübergehend festgenommen, wie die Staatsanwaltschaft Innsbruck am Sonntag bestätigte: "Auch bei diesem Sportler besteht der Verdacht, er habe die verbotene Methode des Blutdopings angewendet und daher Sponsoren und Veranstalter getäuscht. Er wurde am Freitag dazu vernommen, hat sich geständig gezeigt und wurde bereits am Freitag wieder enthaftet", erklärte Hansjörg Mayr, Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft.
Mayr stellte außerdem klar, dass die Berichte, wonach der 2014 des Dopings überführte Langläufer Johannes Dürr als Handlanger für den Erfurter Sportarzt fungiert habe und ein Drahtzieher hinter dem Sportbetrug durch die beiden ertappten österreichischen Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf sei, nicht richtig seien.
Weitere Auskünfte zur Dopingcausa wollen die Behörden derzeit nicht machen. Es sei sehr viel Beweismaterial sichergestellt worden, das ausgewertet werden müsse, erklärte Vincenz Kriegs-Au, Sprecher des Bundeskriminalamtes: "Wir brauchen noch ein bisschen Zeit." NADA-Vertreter David Müller bestätigte, dass man mit der Polizei "in enger Abstimmung" stehe. Die Dopingbekämpfer und die Ermittler ergänzen sich in ihren Kompetenzen. Auch deshalb müssen Dopingsünder verschiedener Sportarten weiter zittern. Gespannt erwartet wird die Auswertung der in Erfurt beschlagnahmten Blutkonserven. Bis zu 40 mit Tarnnamen versehene Blutbeutel wurden gefunden. Deshalb könne er auch nicht ausschließen, dass es weitere verdächtige Sportler aus Österreich geben könnte, sagte Müller.
Kai Gräber, der Leiter der zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft München, sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass die Doping-Aktivitäten schon Anfang der 2000er-Jahre begonnen hätten. Er nehme an, dass der Arzt zwischen acht- und fünfzehntausend Euro pro Athlet und Saison verdient habe. "Das war ein all-inclusive-Paket", sagte Gräber.
Nachbessern müssen die Dopingermittler. Bei Blutdpoping sei man bisher davon ausgegangen, "dass es etwas Längerfristiges ist, was einige Tage vor dem Wettkampf angewendet wird, um die Ausdauerleistung zu steigern", sagte Lars Mortsiefer von der deutschen NADA.
Ein deutliches Signal sendeten die Österreichischen Lotterien, die als Unterstützer der Sporthilfe maßgeblicher Förderer des heimischen Sports sind: Es mache betroffen, dass vom ÖSV "über Jahre hinweg kein wirkungsvoller Mechanismus zur Verhinderung von Doping entwickelt" worden sei, hieß es in einer Aussendung. Den Langlauf ausschließen zu wollen, wie es ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel angekündigt hatte, erscheine "mehr als symbolhaftes, populistisches Agieren, denn als nachhaltige Strategie". Und: "Die negativen Ereignisse der jüngeren Vergangenheit zeigen deutlich, dass der ÖSV ein systemisches und strukturelles Problem in der Dopingprävention hat und nicht das Opfer von Einzelfällen ist."
Schröcksnadel ruderte hinsichtlich des Langlauf-Ausschlusses zurück: Man werde die Sparte "nicht eliminieren", aber nur noch im Nachwuchs fördern. Dann werde man prüfen, ob einzelne Athleten weiter "entwickelbar" seien. Im übrigen wittert er eine mögliche Verschwörung: "Es kommt mir vor, es war eine getürkte Aktion, wie das inszeniert worden ist, gerade bei der WM", sagte der Präsident im ORF. "Man muss nachdenken, ob es nicht eine Gruppe gibt, die uns schaden will."
Schlammschlacht ÖSV vs. Dürr
Gegenüber dem ORF wurde Peter Schröcksnadel später bezüglich des Kontakts von Johannes Dürr zu Max Hauke und Markus Baldauf konkreter. "Das ist bestätigt worden, dass der Herr Dürr bereits damals die zwei Leute zu dem Arzt gebracht hat", sagte der ÖSV-Präsident im Interview.
Zudem gab Markus Gandler an, Hauke und Baldauf darauf angesprochen zu haben. "Ich habe einfach nur die Frage gestellt, steht ihr womöglich mit dem von 2014 überführten Athleten unter einer Decke", erklärte der Tiroler. "Dann war die Antwort darauf: 'Unter einer Decke stecken wir nicht. Aber er hat uns zu diesem Arzt hingeführt.' Wenn das nicht der Beweis ist, was dann."
Von Dürr kam umgehend ein Dementi. Er ließ dem ORF via Anwalt eine Stellungnahme mit folgendem Wortlaut zukommen: "Die angeblichen Anschuldigungen von Dominik und Max sind unwahr. Ich habe KEINE Kontaktdaten des in den Medien genannten Doping-Arztes (wie Name, Telefonnummer oder Adresse) an die beiden Sportler weitergegeben."