Zuerst ein Baby, dann nahtlos daran eine Bildungskarenz: Die Kombination ist beliebt und stößt immer öfter auf Kritik. Das AMS ist für Veränderungen.
Frau Draxl, das AMS genehmigt die Bildungskarenz. Ist die derzeit laut werdende Kritik gerechtfertigt? Petra Draxl: Ja, ich war auch bei der Prüfung des Rechnungshofs dabei. Es gibt zwei, drei Kritikpunkte, bei denen wir auch als AMS der Meinung sind, dass man die verändern sollte.
Ist also ein Onlinekurs auf Weltreise oder neben der Kleinkinderbetreuung eine Bildungskarenz - ja oder nein? Wir sehen natürlich die Kombination, dass die Frauen zuerst in Elternkarenz sind und dann eine Bildungskarenz anschließen, etwa ein Drittel in Bildungskarenz macht das so. Nur sollte die Bildungskarenz nicht de facto eine verlängerte Elternkarenz sein. Mittlerweile gibt es Anbieter, deren Systeme und Onlineschulungen genau den Standards entsprechen. Das sind definierte Kriterien - mit Kleinkind 16 Stunden Ausbildung, ansonsten 20 Stunden. Das AMS prüft, ob die Kurse den rechtlichen Kriterien entsprechen. Wenn die erfüllt sind, wird bewilligt. Das ist momentan alles, was wir machen können. Es ist nicht unsere Aufgabe zu prüfen, was gemacht wird. Das war nie Thema.
Sind Sie für das Abschaffen der Kombination Babypause und Bildungskarenz? Ich bin sehr dafür, dass Frauen sich auch in der Karenz bilden, das finde ich positiv. Aber aktuell sind das nicht immer die Angebote, die für die Frauen notwendig sind. Ich bin dafür, dass Frauen rasch wieder im Beruf andocken, aber das kann kein 16-Stunden-EDV-Kurspaket online sein. Wenn wir ein aktives Jahr für die Frauen schaffen wollen, nachdem das Kind ein Jahr alt geworden ist, dann müsste man nachdenken, wie man das anders gestaltet.
In welche Richtung gehen die Ideen der Veränderungen? Als AMS sind wir in den Verhandlungsprozess, der momentan zwischen den Regierungsparteien läuft, nicht eingebunden. Und wir glauben nicht, dass es in dieser Regierungsperiode noch zu großen Veränderungen kommen wird. Aber es ist gut zu diskutieren und es braucht auch Veränderungen.
Bietet die Kombination Bildungs- und Babykarenz nicht auch maximales finanzielles Einkommen in dieser Zeit? Genau, so ist es. Menschen sind ökonomisch denkende Wesen. Die Bildungskarenz sollte aber nicht Teil des Elternkarenzsystems sein.
Die Idee der Bildungskarenz war eigentlich, Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau und geringem Einkommen höher zu qualifizieren. Warum funktioniert das nicht? Wer einen Lehrabschluss nachholen will, geht nicht in Bildungskarenz, schon gar nicht ein Jahr lang, da wählt man andere Modelle. Die Bildungskarenz nutzen eher Menschen mit höherer Ausbildung und Akademiker. Wir sollten nachdenken, was wir da wollen, und uns stärker anschauen, was für eine Art von Ausbildung das ist. Es darf nicht überbürokratisch werden. Als AMS sind wir zurückhaltend, zu viel zu prüfen. Wir glauben, es gäbe ein paar Schrauben mehr, an denen man drehen könnte, etwa eine verpflichtende Bildungsberatung vor einer Bildungskarenz.
Veränderungen wurden zuletzt auch beim Zwischenparken der Saisonarbeitskräfte beim AMS gefordert. Wie kann man dieses Problem lösen? Die Diskussion ist keine neue. Und solche Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, mit Wiedereinstellungszusage mal in die Arbeitslose zu gehen, wenn es nicht so läuft, ist nicht nur ein Phänomen der Saisonbeschäftigung im Tourismus oder am Bau.
Warum geschieht nichts? Lösungswege wurden bisher nie umgesetzt. Ich war immer für Rating-Modelle, wie sie jetzt auch wieder diskutiert werden, nämlich dass Unternehmen fürs Zwischenparken mehr in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Zum degressiven Modell der Arbeitslosenversicherung gab es die Idee einer Wartepflicht von ein bis zwei Wochen bis zur Arbeitslosigkeit. Wenn ich eine Wiedereinstellungszusage habe und weiß, wann die Arbeitslosigkeit endet, dann bekäme ich sonst immer den höheren Bezug, das würde auch die Kosten sprengen. Aber all das sind hochpolitische Themen. Man wird sehen, ob eine neue Regierung die Reform der Arbeitslosenversicherung noch einmal aufnimmt.
Im Zusammenhang mit der geringfügigen Beschäftigung wird gern Missbrauch genannt. Der amtierende Bundeskanzler will sie abschaffen. Sinnvoll? Wenn ich geringfügig neben der Arbeitslosigkeit arbeite, ist das kein Missbrauch. Das ist rechtlich abgesichert, das kann und darf man machen. Ich bin nicht fürs Abschaffen, aber Einschränken. Wenn jemand geringfügig arbeitet, um den Kontakt zur Arbeit zu halten oder um nach längerer Krankheit wieder einzusteigen, dann macht das Sinn. Das Problem ist, wenn sich Arbeitslosigkeit verfestigt. Aber die Zahl der geringfügig Beschäftigten liegt mit circa zehn Prozent der Menschen, die Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen, über die Jahre ziemlich konstant, aktuell sind das rund 28.000.
Der erhoffte Wirtschaftsaufschwung bleibt allen Prognosen zufolge heuer aus. Wie hoch wird die Arbeitslosigkeit noch steigen? Wir befinden uns de facto in einer Rezession, die erwartete Verbesserung im dritten oder vierten Quartal dürfte nicht mehr kommen. Die Arbeitslosigkeit wird heuer weiter steigen, aber in welchem Ausmaß, das wissen wir noch nicht. Aktuell steigt die Kurve langsam, um monatlich circa 30.000 Arbeitslose mehr. Wir gehen davon aus, dass die Betriebe noch viel Personal halten, aber sie werden nervös. Es kann passieren, dass rasch Beschäftigte freigesetzt werden.
Was machen die Betriebe, um die Krise durchzutauchen? Die ganze Palette, die denkbar ist - Altersteilzeit, Bildungskarenz, eigene Modelle im Betrieb, Aussetzverträge, Wiedereinstellungszusagen. Bei der klassischen Kurzarbeit haben wir aktuell österreichweit nur mehr vier Fälle.
Petra Draxl (63) war seit 2012 AMS-Chefin in Wien, davor war sie im Sozial- und Arbeitsministerium tätig. Seit 1. Juli 2023 ist die gebürtige Steirerin im Vorstand des AMS Österreich.