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Bildungskarenz: Reformbedarf wird immer deutlicher

Die Kritik an der Bildungskarenz reißt nicht ab, der Ruf nach einer Reform wird lauter. Sie sei zu teuer, zu beliebig und werde von den Falschen genutzt.

Lernen und weiterbilden kann man sich fast überall. Wenn man weiß, wie, kann man sich das auch staatlich fördern lassen. Die Regierung plant, diese Förderung künftig „zielgerichteter“ zu machen.
Lernen und weiterbilden kann man sich fast überall. Wenn man weiß, wie, kann man sich das auch staatlich fördern lassen. Die Regierung plant, diese Förderung künftig „zielgerichteter“ zu machen.

Seit 1998 gibt es in Österreich die Möglichkeit einer Bildungskarenz. Die bietet Beschäftigten die Möglichkeit, bis zu ein Jahr aus dem Berufsleben auszusteigen, um sich beruflich weiterzubilden und so ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern oder sich beruflich umzuorientieren.

Eine höchst sinnvolle und löbliche Einrichtung, könnte man meinen. Doch zunehmend häuft sich Kritik daran. Jetzt auch von der wirtschaftsnahen Denkfabrik Agenda Austria. Sie hat das Instrument unter die Lupe genommen und ortet massiven Verbesserungsbedarf. "Die Bildungskarenz war eine gute Idee, erfüllt aber nicht die von der Politik gesetzten Ziele", bringt es Agenda-Ökonomin Carmen Treml auf den Punkt.

Bildungskarenz: Kosten massiv angestiegen

Zudem stiegen die Kosten zuletzt massiv an. Von 2019 bis 2023 hätten sich die staatlichen Ausgaben dafür mehr als verdoppelt - von 214 auf 512 Millionen Euro. Auch ohne die darin enthaltenen Sozialversicherungsbeiträge stieg das Weiterbildungsgeld massiv, von 140 (2019) auf 337 (2023) Mill. Euro.

Auch die Zahl der beziehenden Personen stieg massiv. Mitte 2023 gab es 22.000 Leistungsbezieher, so viele wie noch nie. Passender wäre hier die weibliche Form, denn laut AMS-Zahlen standen in der Bildungskarenz zuletzt 18.000 weiblichen Leistungsbezieherinnen lediglich 4000 Männer gegenüber. Lange war das Verhältnis der Geschlechter ausgeglichen, geöffnet hat sich die Schere erst ab 2018. Während die Zahl der männlichen Bildungskarenzierten stabil blieb, hat sich jene der weiblichen mehr als verdreifacht. Zuletzt waren drei Viertel der Personen in Bildungskarenz Frauen, in der Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen liegt der Frauenanteil laut AMS um 90 Prozent. Warum ist das so?

Angebote "zur Verlängerung der Babypause"

Es hängt damit zusammen, dass seit 2017 vermehrt Kursanbieter auf den Plan traten, die aktiv Angebote "zur Verlängerung der Babypause" bewarben, die mit geringem Aufwand online neben der Kinderbetreuung besucht werden könnten. Beworben wurden und werden vielfach Sprachkurse auf Anfängerniveau oder wenig aufwendige Office- und Rhetorikkurse - in den Augen der Agenda eine Einladung für "eine kleine Auszeit auf Kosten der Allgemeinheit". Zu beanstanden an der Bildungskarenz sei auch, dass sie überwiegend von bereits überdurchschnittlich gebildeten Personen in Anspruch genommen werde.

Die Schlussfolgerung: "An einer grundlegenden Reform der Bildungskarenz führt kein Weg vorbei", so die Agenda.

Die Botschaft ist nicht neu. Schon im April 2023 zeigte der Rechnungshof (RH) mit vornehmer Zurückhaltung "einigen Reformbedarf" an dem Instrument auf. Denn "die zeitlichen und inhaltlichen Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung waren so gering, dass die Bildungskarenz auch für wenig aufwendige, arbeitsmarktpolitisch wenig relevante Kursangebote und für mit öffentlichen Mitteln finanzierte Auszeiten aus dem Arbeitsprozess genutzt werden konnte".

Missbrauch sind mangels klarer Kriterien Tür und Tor geöffnet

Im Klartext: Dem Missbrauch sind mangels klarer Kriterien und Überprüfungen de facto Tür und Tor geöffnet. So würden nur zwei Prozent der beantragten Kurse abgelehnt, die Relevanz für die künftige Berufskarriere großzügig ausgelegt.

Auch Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher ist sich des Handlungsbedarfs bewusst. Die Bildungskarenz sei "ein gutes Instrument, vielleicht kann man es aber noch besser machen", räumte er schon im Sommer 2023 ein. So könnte man die Bildungskarenz den Anforderungen der modernen Arbeitswelt besser anpassen. Ziel sei, "dass die Bildungskarenz noch mehr Menschen nutzen und sie möglichst effektiv genutzt wird". Für eine große Reform wird die Zeit bis zu den Wahlen schon knapp.

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