Für Schlagzeilen gesorgt hat AdBlue schon 2022: Als in Folge des Ukraine-Krieges der Gaspreis in die Höhe schoss, stieg auch der Preise für die aus Erdgas produzierte Harnstofflösung rasant. Große Hersteller stoppten angesichts der enormen Kosten die Produktion, AdBlue wurde zur Mangelware. Das ließ bei Frächtern und Spediteuren die Nervosität steigen, aber auch bei rund einer Million heimischen Dieselfahrern, die mit neueren Autos auf AdBlue angewiesen sind.
In der Vorwoche sorgte AdBlue in Österreich erneut für Schlagzeilen, diesmal wegen prominenter Namen: Ex-Kanzler Sebastian Kurz und der Salzburger Unternehmer Markus Friesacher haben gemeinsam ein Unternehmen gegründet, das sich mit dem Handel von AdBlue beschäftigen soll. Die mit 2. Oktober im Firmenbuch eingetragene "KFF Vision Green" - neben Kurz und Friesacher ist Emanuel Fussenegger als Drittel-Eigentümer mit an Bord - handelt laut Gesellschaftervertrag mit "Waren aller Art, insbesondere chemischen Produkten."
"Ein extrem spannender Markt"
"Im Grunde geht es vorerst nur um den Kauf und Verkauf von AdBlue", erläutert Friesacher. Wobei "nur" relativ sei. "Das ist ein extrem spannender Markt, schließlich braucht jedes moderne Dieselauto, aber auch jeder neuere Lkw, Traktor oder Pistenbully AdBlue."
Dass die Nachfrage zumindest vorerst noch steigen wird, glaubt auch ÖAMTC-Techniker Andrej Prosenc. Zwar sei angesichts des geplanten Verbrenner-Aus für Neuwagen ab 2035 die Nachfrage nach Dieselautos in Österreich schon jetzt rückläufig. Jeder neu gekaufte Diesel aber benötige AdBlue, denn seit 2015 ist AdBlue zur Abgasreinigung in der EU verpflichtend. Und zwar so, sagt Prosenc, dass im Fahrzeug eine Sicherheitseinrichtung eingebaut sein muss, die das überwacht. Wird kein AdBlue nachgefüllt, kann nur noch eine gewisse Kilometeranzahl gefahren werden, danach ist Starten nicht mehr möglich. Durch den hohen Bestand an Dieselautos treffe das mittlerweile rund eine Million Fahrzeuge. Bei Autofahrern falle AdBlue zwar auch bei hohen Preisen kaum ins Gewicht, nachfüllen muss man meist zwei Mal im Jahr, und dann wenig. Anders sei das bei Lkw mit weiten Strecken und hohem Verbrauch. Da habe sich, um Kosten zu sparen, ein "Markt für Manipulation" gebildet, mit Abschalteeinrichtung versuche mancher die Pflicht zu umgehen.
"Das riecht nur ähnlich wie Urin"
Der Name AdBlue ist ein Kunstwort, die Marke gehört dem Verband der deutschen Automobilindustrie. Der Begriff hat sich auch in Österreich allgemein für die Harnstofflösung durchgesetzt, so Prosenc. Und die könne, anders als der Name vermuten lasse, keineswegs aus Urin hergestellt werden. Urin enthält zwei bis vier Prozent Harnstoff und viele andere Abfallstoffe aus dem Körper, die dem Motor schaden würden. AdBlue besteht zu einem Drittel aus synthetisch erzeugtem Harnstoff. "Das riecht zwar ähnlich", so Prosenc. Hauptbestandteil sei aber Ammoniak, der werde meist aus Erdgas produziert. Zwei Drittel bei AdBlue sind Wasser.
Alte Seilschaften aus OMV-Zeiten
Damit sei es leicht zu transportieren, argumentiert Friesacher. Gekauft werde der Harnstoff als Granulat, Wasser mische man erst im Endmarkt bei. Marktchancen sieht er in Österreich, aber auch am Balkan. Dank weltweiter Kontakte verfüge man zudem über gute Quellen. Friesacher und Fussenegger kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit bei der OMV. Friesacher, der seine Karriere als Formel-3-Pilot begann und später ins Tankstellengeschäft einstieg, hatte die von ihm gegründeten Hofer-Tankstellen 2015 um 57 Mill. Euro an die OMV verkauft. Hälfteeigentümer war damals übrigens René Benko. Friesacher wechselte mit dem Deal als Senior Vice President ins OMV-Management, wo er als rechte Hand des damaligen OMV-Chefs Rainer Seele galt.
Aus dem OMV-Umfeld kommt auch der Geschäftsführer der neuen Firma, Andreas Steinbüchler. Er war Manager der Borealis LAT, also der Stickstoffsparte der Borealis in Linz. Die, so Friesacher, sei auch der einzige große AdBlue-Produzent in Österreich gewesen, "bevor sie nach Tschechien verkauft wurde".
Borealis hat die Sparte 2023 an den tschechischen Agrofert-Konzern des ehemaligen Premiers Andrej Babiš verkauft. In der Bauernschaft sorgte das für einen Aufschrei, ging es doch um das Düngemittelgeschäft. Dass damit auch die AdBlue-Produktion verkauft wurde - sie ist quasi ein Nebenprodukt bei der Düngemittelproduktion - sorgt in der Transportbranche kaum für Aufregung. AdBlue sei wichtig, aber doch nur in überschaubaren Mengen, meint Lagermax-Chef Alexander Friesz, Präsident des Zentralverbands Spedition & Logistik. Und der Markt sei "sensationell gut versorgt", meint auch Tankstellenbetreiber Franz Leikermoser.
Zukunft haben könnte AdBlue übrigens auch nach einem Diesel-Aus: Auch das als Alternative immer beliebtere HVO - erzeugt aus Altfett und Pflanzenölen - brauche die Beimischung, so Prosenc.