Dreh- und Angelpunkt des Netzwerks ist Franz Schenner. Er kommt aus der Skibranche und kennt die Szenerie aus vielen Blickwinkeln. Wir sprachen mit ihm über die aktuelle Situation.
"Stop and go", aufsperren und zusperren. Verliert sich die Wintersaison im Dickicht der Coronamaßnahmen? Franz Schenner: Virologen sind keine Touristiker, Politikerinnen oder Politiker. Sie sind "Getriebene" und nicht zu beneiden, weil sie letztlich die Verantwortung tragen.
Unternehmen müssen andererseits einfach planen können. Stichwort Personal, Einkauf, Auslastung. Ja, und auch die Gäste, die Lust haben, endlich wieder Ski fahren gehen zu können, und ihren geplanten Skiurlaub kurzfristig gebucht haben, werden momentan täglich stark verunsichert.
Die Pandemie und neue Mutationen, vor allem manche Berichterstattung und wissenschaftliche "Wahrscheinlichkeitsrechnungen" sind derzeit keine Verkaufsförderung. Dass diese Wintersaison nicht einfach wird und vom Wintertourismus abhängige Regionen letztlich wirtschaftlich positiv bilanzieren können, werden auch seriöse Wirtschaftsforscher nicht prognostizieren können.
Ist der Wintertourismus zu groß geworden und deshalb in der Krise sehr anfällig? Wir haben in den letzten zwanzig Wintern immer Rekordergebnisse erreicht und veröffentlicht. Nachdem die Seilbahnen nach den katastrophal schneearmen Wintern Ende der 1980er-Jahre Hunderte Millionen in den Ausbau der technischen Beschneiung investierten, konnten die Regionen schneesichere Pisten garantieren. Das ist für alle vom Wintertourismus abhängigen Branchen die Geschäftsgrundlage.
Das wiederum führte parallel dazu, dass die Hotellerie, Gastronomie, dass Projektentwickler ebenfalls viel Geld in die Hand nahmen.
Wenn ich als Zeitzeuge zum Beispiel Skiverleiher von heute mit jenen von früher vergleiche oder wenn ich betrachte, wie all die "All-inclusive-Spa-Bereiche", die zusätzlichen Betten und Zweitwohnsitze entstanden sind, hat das ja einen Hintergrund: Auftragsforscher stellten fest, Skifahren allein genüge nicht mehr. Ergebnis: Ja, wir sind groß und anfällig geworden. Wie anfällig, das haben die Leistungsträger im letzten Winter hoffentlich begriffen: Wintertourismus ist ein "Gesamtkunstwerk"! Was helfen technisch beschneite, perfekt präparierte Pisten, wenn Hotellerie und Gastronomie geschlossen sind? Wenn die Qualität des Angebots, freundliches geschultes Personal, notgedrungen in andere Branchen abwandert?
Die Nächtigungsrekorde haben auch den Optimismus der Unternehmerinnen und Unternehmer und ihrer finanzierenden Banken beflügelt. Damit sind wir Getriebene, um diese Investitionen refinanzieren zu können. Wer hat denn in den Hoch-Zeiten weniger Umsatz geplant? Und neue Kapazitäten kosten Geld und Personal.
Wenn Gäste aus den wichtigsten Märkten nicht kommen, weil sie verunsichert werden und zu Hause Urlaub machen - obwohl Corona auch vor der Haustür ansteckend ist -, hat das wirtschaftlich schwerwiegende Konsequenzen.
Mit unseren einheimischen Skifans können wir unsere Kapazitäten nicht auslasten und erfolgreich bilanzieren. Mein Credo: Mit weniger mehr verdienen! Wie das geht? Qualität, Qualität und damit mehr Wertschöpfung.
Wir sind im zweiten Coronawinter. Geht die skifahrende Jugend verloren? Wir haben schon eine Elterngeneration verloren und wenn Papa/Mama oder Opa/Oma nicht mit den Kindern Ski fahren gehen, hat die Jugend heute jede Menge andere Möglichkeiten, die Freizeit zu verbringen. Die Kosten spielen sicher auch eine Rolle. Aber ganz ehrlich, was die Mehrheit der Jugend will, könnte sie sich leisten oder eben die Eltern. Fakt ist: Ski fahren war noch nie ein billiges Vergnügen.
Über Felsen springen, im freien Gelände durch möglicherweise gefährliche Lawinenhänge kurven: Verwendet die Branche nicht zu oft falsche Bilder, um den Wintertourismus zu bewerben? Mit Sorge müssen wir beobachten, dass auch die Jugend in den alpinen Regionen nicht mehr wie früher Ski fahren geht. Das zum einen.
Netflix gibt es rund um die Uhr. Smartphones und Computerspiele sowie Social Media sind ein zeitfressendes Faktum. Daher meine Forderung seit Jahren: eine andere Bildsprache. Tanzschulen haben auch die Jugend verloren, nachdem die Diskotheken auf Beat & Soul und nicht auf Cha-Cha-Cha und Walzerschritt gesetzt haben. Diese "Influencer" im freien Gelände für potenzielle Lawinenopfer - das ist nur Zirkus. Auch der Rennsport hat mit dem Skisport so viel gemeinsam wie die Formel 1 mit Autofahren. Mercedes wird nicht ein Auto weniger verkaufen, nur weil Red Bull den neuen Weltmeister stellt.
Die Magie eines Wintertags, verbunden mit dem gemeinsamen Skierlebnis in Schnee, Wind, Wetter und Natur, ist viel zu wenig oft die Botschaft. Vom Wedeln zum Parallelschwung, vom Schönskifahren bis zum Genussskifahren: Skifahren ist leicht zu lernen. Unter guter Anleitung eines Skilehrers in drei Tagen. Auch Ältere können das! Die meisten haben ja auch mit 40 oder älter erst begonnen, Golf zu spielen. Damit sie ihr Handicap verbessern, gehen sie zum Pro. Mit einem Privatskilehrer lässt sich in jedem Alter besser, schöner, sicherer Ski fahren lernen.
Ich glaube auch, dass es eine touristische Fehleinschätzung oder einfach nur der Zeitgeist war, dass Pistenkilometer entscheidend für eine Urlaubsbuchung sein sollen.
Ich glaube, da haben Auftragsforscher etwas herausgefunden, wofür sie gutes Geld bekommen haben.
Wer möchte in einer Woche Urlaub mit Ski von St. Johann nach Wien hasten? Zwei bis drei Stunden Skifahren auf perfekt präparierten Pisten, keine Wartezeiten an den Skiliften. Das ist der Kern!
Wir fahren heute in ein paar Stunden mehr als früher an einem ganzen Skitag bis zur Dämmerung.
Gemütliche Hütten, ehrliche gute Küche, freundliches Personal, aber nicht derbe Hüttengaudi und überlaute Discos machen einen Skitag zum "nachhaltigen" Erlebnis.
Die Tourismuswerbung mit ihren verschiedenen Logos ist austauschbar, nur die Motive der Darstellung sind besser geworden.
Geht der Tourismus unter, wenn es kein Après-Ski à la Ischgl gibt? Mit sehr oft fragwürdiger Musik und kollektivem Besäufnis? Was die Party- und Après-Szene betrifft: Wer Ballermann will, wird eine Destination finden. Ischgl war höchstes Niveau, bevor Einheimische den Ballermann importierten. Verzeihen Sie den harten Ausdruck, aber: Saufen und Skigenuss vertragen sich nicht wirklich und sind auch kein USP für bessere Gäste.
Falls es die Pandemie zulässt: Von 4. Februar bis 20. Februar finden die Olympischen Spiele in Peking statt. Großereignisse wie Olympia oder auch Weltmeisterschaften sind Investitionsturbos. Ob in Peking die Politik fernbleibt, ob Zuschauer zugelassen werden, ist dem IOC vermutlich nicht so wichtig. Die Rechte sind an die Meistbietenden verkauft. Japan hat Olympia gegen den Willen der Bevölkerung verschoben, ein Jahr später nachgeholt und bewiesen, dass Athletinnen und Athleten samt einer wahren Inflation an Sportarten für die TV-Unterhaltung genügen. In China hoffen wir, dass die um Milliarden gebauten Anlagen nach den Spielen Millionen von Chinesen tatsächlich nutzen, um Skifahren oder Boarden zu lernen. Dafür brauchen wir Skilehrer, wie sie vom legendären Skipapst Franz Hoppichler in Japans Regionen quasi zum Missionieren geschickt wurden. Dass die Skiindustrie in Japan bis Mitte der 1990er-Jahre über 2,3 Millionen Paar Ski pro Jahr verkauft hat, davon mehr als die Hälfte "made in Austria" waren, ist bei uns längst vergessen.
Schauen Sie sich noch Skirennen im Fernsehen an? Als Straf- oder Hausaufgabe, wenn ich nicht selbst auf der Piste bin oder auf der Sonnenterrasse den Tag genieße. Das, was wir im Spitzenbereich aller Sportarten sehen, wird von modernen Gladiatoren vorgeführt, die man bewundern, aber nicht nachahmen kann. Ich hoffe, der neue FIS-Präsident Johan Eliasch lässt sich nicht von den nationalen Verbänden auf das Niveau seines Vorgängers reduzieren. Wenn die Devise, wie unter Peter Schröcksnadel, weiter lautet: "Die FIS san mir", werden eine zentrale Vermarktung und eine stärkere Internationalisierung wieder scheitern. Solange Skirennen live übertragen werden, wenn die Skifans selbst die Pisten genießen, ist das lediglich ein TV-Angebot für Nichtskifahrer, die keine Lust, sondern Angst bekommen werden, wenn sie Stürze und Verletzungen sehen.
Ihr Plan B für den Wintertourismus lautet? Mein Plan B für Wintersport: Klasse statt Masse. Qualitätswettbewerb statt Preiswettbewerb!