Das Elektroauto hatte im Vorjahr keinen guten Lauf. Bis Ende November wurden in Österreich gut 40.300 reine E-Autos neu zugelassen, das ist ein Marktanteil von 17,4 Prozent und ein Rückgang von 7,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Insgesamt lag der E-Auto-Bestand bei erst rund 196.000 Fahrzeugen.
Es drohen saftige Strafzahlungen
Mehr verkaufte Elektrofahrzeuge brauchen die Autokonzerne aber spätestens heuer ganz dringend. Nicht nur, um die Fabriken auszulasten und Jobs zu sichern. Es drohen auch saftige Strafzahlungen.
Mit heuer gelten in der EU schärfere CO₂-Ziele für die Neuwagenflotten. Das heißt: Alle verkauften Autos einer Marke müssen im Durchschnitt weniger CO₂ pro Kilometer ausstoßen. Statt bisher 116 Gramm CO2 sind nur noch maximal 93,6 Gramm erlaubt. Elektroautos werden mit null Gramm CO₂ bewertet. Wird der Flottenverbrauch überschritten, drohen den Herstellern Strafzahlungen - und zwar 95 Euro je Gramm und verkauftem Auto. Einem internen Papier aus der europäischen Autobranche zufolge könnten Strafen in zweistelliger Milliardenhöhe anfallen.
Könnten Förderungen dem Rotstift zum Opfer fallen?
Das macht die Branche freilich nervös, in Österreich gerade noch mehr. Im Hintergrund der Koalitionsverhandlungen ist durchgesickert, dass E-Auto-Begünstigungen und Förderungen, etwa bei der Normverbrauchsabgabe und der motorbezogenen Versicherungssteuer, dem Rotstift zum Opfer fallen könnten. Gleichzeitig aber muss wegen der CO₂-Ziele der E-Auto-Absatz drastisch erhöht werden.
"Wir bräuchten einen reinen E-Auto-Anteil bei den Verkäufen von 25 Prozent", betont der Sprecher der österreichischen Automobilimporteure, Günther Kerle. Jeder Bonus helfe, das zu erreichen. Er nennt etwa auch die Sachbezugsbefreiung bei elektrischen Dienstautos oder die private E-Auto-Kaufprämie von 5000 Euro, die aktuell noch bis Mai gesichert ist. Kerles Ansage an die Politik: "Man kann nicht während der Transformation sagen, es interessiert uns nicht mehr, wenn man davor alles dafür getan hat." Zumal gerade jetzt auch E-Autos mit "sehr guten Preisen" auf den Markt kämen.
"Der Österreicher ist kein Intuitionskäufer, er braucht Kontinuität"
Bei der Porsche Holding in Salzburg erklärt man, E-Auto-Modelle seien nun mit Benzinern vergleichbar zu haben. "Ein ID.3 kostet ungefähr so viel wie ein Golf", sagt Porsche-Austria-Geschäftsführer Wolfgang Wurm, "wir haben jetzt die Preisklasse, die wir brauchen." Das Interesse an E-Autos wachse seit Herbst wieder spürbar, "plötzlich kaufen auch Private Elektrofahrzeuge". Jede Veränderung bringe den E-Auto-Markt nun erneut durcheinander, betont Wurm. "Der Österreicher ist kein Intuitionskäufer, er braucht Kontinuität", warnt er vor übereiligen Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen.
In Deutschland brach der E-Auto-Verkauf nach dem staatlichen Förder-Aus um ein Viertel ein
Auf mehr als 15 rein elektrische Modelle, die man in Österreich auf dem Markt hat, verweist BMW-Austria-Chef Alexander Bamberger. Man habe den langfristig bekannten CO₂-Zielen gemäß vorausschauend geplant und das Produktportfolio angepasst. Im Herbst gehe zudem die Serienfertigung der vollelektrischen Neuen Klasse in Ungarn an den Start. Aber auch Bamberger betont, ein möglicher "Wegfall der Incentives" für die Anschaffung elektrifizierter Fahrzeuge gefährde die Erreichung der europäischen CO₂-Ziele und wäre sowohl für Hersteller als auch für die Republik Österreich mit erheblichen Strafzahlungen verbunden.
Auch bei Stellantis in Österreich mit Marken wie Citroën, Fiat, Opel oder Peugeot erachtet man es für die Ankurbelung des E-Auto-Absatzes als "unerlässlich, dass es von Seite der öffentlichen Hand verschiedene Unterstützungen gibt".
In Deutschland brach 2024 der E-Auto-Verkauf nach dem staatlichen Förder-Aus um ein Viertel ein. Im laufenden Wahlkampf wirbt etwa die CDU wieder mit einer Neuauflage von E-Auto-Prämien. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer macht auch den Schlingerkurs der EU beim Verbrenner-Aus mitverantwortlich für das zu langsame Hochfahren der E-Mobilität.
Profitieren könnte Elon Musk
Profitieren könnte von einem schleppenden E-Auto-Absatz in Europa ausgerechnet einer: Tesla-Chef Elon Musk. Als reiner E-Auto-Hersteller verdient Tesla mit dem Verkauf von CO₂-Zertifikaten schon gutes Geld. Der Emissionshandel brachte im dritten Quartal 2024 gut 739 Mill. Dollar ein.
Mehrere Hersteller ziehen einen Deal mit Tesla bereits in Betracht, um die nun strengeren CO₂-Limits für Neuwagen zu erreichen, wie die Nachrichtenagentur Reuters vor wenigen Tagen aus einem ihr vorliegenden EU-Dokument berichtete. Demzufolge wollen Stellantis, Toyota, Ford, Mazda und Subaru die Kohlendioxidemissionen ihrer Flotten mit emissionsfreien E-Autos des US-Herstellers zusammenrechnen lassen. Mercedes-Benz will demnach einen Pool mit seiner mittlerweile rein elektrischen Tochter Smart bilden. Weitere Partner sollen Volvo und Polestar sein.
Strengere CO₂-Grenzwerte:
"Theoretische Schuld" statt Strafen?
Um die Klimaschutzziele zu erreichen, haben sich die EU-Länder auf die schrittweise Senkung der sogenannten CO₂-Grenzwerte der Neuwagenflotten geeinigt. Bis 2030 soll eine Netto-Emissionsreduktion gegenüber dem Ausstoß 1990 von mindestens 55 Prozent erreicht werden, ab 2035 sollen laut Plan keine Verbrennerautos mehr neu zugelassen werden. Das sogenannte "Verbrenner-Aus" ist mittlerweile in Politik und Autobranche ein heißes Eisen.
Rund um die strengeren CO₂-Grenzwerte glaubt der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, dass es auf EU-Ebene noch auf einen Kompromiss hinauslaufen könnte. So könnten die schärferen CO₂-Ziele zwar unverändert bleiben, wohl aber könnten die Strafzahlungen um bis zu fünf Jahre aufgeschoben und in eine "theoretische Schuld" umgewandelt werden. "Und wenn die Firmen zwischendurch besser sind als verlangt, dann könnte ihnen das angerechnet und als Boni gutgeschrieben werden", sagt Dudenhöffer. Ärgern würde das freilich jene Hersteller, die investiert hätten und ihre Flottenziele schon jetzt aus eigener Kraft erreichten. Eine andere Möglichkeit wäre, eine Evaluierung der CO₂-Ziele vorzuziehen, nicht wenige in der Automobilbranche halten sie für zu ambitioniert.