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Gute Führung beflügelt wie der Gedanke an Sex oder Schokolade

Erstmals ist es belegt: Gute Führung regt das Belohnungszentrum im Gehirn stark an. Was Mitarbeiter im Job mehr motivieren kann als Geld.

Das Belohnungssystem wird aktiviert, wenn man sich ernst und mitgenommen fühlt und die Führungskraft Glaubwürdigkeit ausstrahlt.
Das Belohnungssystem wird aktiviert, wenn man sich ernst und mitgenommen fühlt und die Führungskraft Glaubwürdigkeit ausstrahlt.

Eine Gehaltserhöhung, eine Prämie, gar ein Dienstauto: Führungskräfte denken vorwiegend an Geld, wenn sie Beschäftigte belohnen wollen. Dabei könnten sie es billiger haben. Wenn die Belohnung das Team mitreißt, den Einzelnen aktiviert und glaubwürdig ist.

Dass gute Führung im Team Berge versetzen kann, ist ewig Thema. Jetzt ist erstmals die Ursache dafür erforscht. In einem Experiment an der Uni Graz hörten 44 Studentinnen und Studenten per Audioband Führungskräfte, die eine Projektbesprechung leiteten. Der eine quasi ein Barack Obama: visionär, mitreißend, lösungsorientiert. Der andere vom Schlag klassischer Boss: die Bedeutung des Projekts überhöhend, fordernd, die Verantwortung auf das Team überwälzend. Im MR-Scanner wurden den Getesteten dann zahlreiche, teils ablenkende Denkaufgaben gestellt. Wissend, dass sie ihr Praktikum bei der guten Führungskraft antreten können, wenn sie viele Aufgaben schaffen. Das eindeutige Ergebnis: Gute Führung regt im Gehirn das Belohnungszentrum intensiv an. "Genauso wie es beim Essen von Schokoeis passiert, wenn man an Sex denkt, Anerkennung oder ein Kompliment bekommt", sagt Sabine Bergner, die am Grazer Institut für Psychologie lehrt und Teil des Projektteams ist.

Mitarbeiterzufriedenheit: Glaubwürdiges Lob, gemeinsam Lösungen finden

Wer jetzt primitivere Assoziationen hegt: Nein, es geht nicht darum, wie sexy eine Führungskraft ist. Natürlich auch nicht um Sex am Arbeitsplatz. Es geht darum, wie die Führungskraft mit dem Team interagiert. Ob sie es schafft, den Einzelnen so mitzunehmen, dass Arbeit "als etwas Größeres und nicht nur als Job wahrgenommen wird", wie Bergner sagt. Selbstredend verbietet sich, den Mitarbeiter als lohnabhängigen Empfänger von Anweisungen zu verstehen. Es genügt aber auch nicht, bei der Weihnachtsfeier eine Runde auszugeben oder ritualisiert sich in allen Büros kurz zum Small Talk einzufinden. Das Belohnungssystem wird aktiviert, wenn man sich ernst und mitgenommen fühlt und die Führungskraft Glaubwürdigkeit ausstrahlt. Nur dann wird Lob nicht als aufgesetzt empfunden. Das Gegenteil von guter Führung ist auch, im Stakkato neue Projekte zu starten, wenn bisherige eher im Sand verliefen. Und das Team genau davor gewarnt hatte. Gute Führung wälzt dann Verantwortung nicht ab, sondern geht in sich. Stimmt der Einwand, dass etwa die Rahmenbedingungen nicht passen? Gute Führung bespricht das offen im Team. Sucht gemeinsam nach Vorschlägen. Geht auf die Stärken des Einzelnen ein und macht deutlich, was auch nicht umsetzbar ist. Gute Führung verwandelt das Team also nicht in eine Wohlfühloase, sondern einen Ort, wo viele bereit sind, mehr zu bringen, als sie müssen. Dafür brauche es "eine stabile und gehaltvolle Beziehung". "Transformational" nennt das Bergner.

Gute Führung will gelernt sein

Beim Start neuer Projekte, wenn die Zukunft ungewiss sei, spiele das eine große Rolle. Ebenso in der mittleren Managementebene, die oft unterschätzt wird. Die sei quasi im Sandwich zwischen Chefetage und Team. Müsse vermitteln und brauche dafür neben fachlicher Kompetenz auch Menschenkenntnis. Sie sollten Sach- und Beziehungsebene authentisch leben, so Bergner. Auch ein Führungsduo könnte dabei helfen.

Um auf den Einzelnen besser eingehen zu können, muss man dessen Lebensphase und Antriebsmotive kennen. Ist er und sie jung und will Karriere machen - oder mehr Freizeit? Wurde gerade eine Familie gegründet oder ist ein Hauskredit abzuzahlen? Ist der ältere Profi noch wissbegierig oder schon müde? Beim Antrieb unterscheidet man jene, die nach Macht streben. Jene, die ein gutes soziales Umfeld suchen. Und jene, die Leistung suchen, weil ihnen der Job Spaß macht. Bergner nennt den Programmierer, der in seiner Aufgabe versinkt, aber todunglücklich wäre, müsste er führen.

Bergners Resümee: Gehalt, Ansehen, Statussymbole seien natürlich Motivationsfaktoren. Gute Führung aber sei mindestens ebenso wichtig. Und die lasse sich entwickeln, "man kann das auch lernen".

Duale Führung im Trend

Zwei Führungskräfte, die sich die Verantwortung teilen und gleichberechtigt einem Team vorstehen. 65 Prozent der Führungskräfte würden das laut einer neuen Studie begrüßen. Von jenen, die sie schon praktizieren, erachten es 68 Prozent als (sehr) empfehlenswert. Beruf und Familie wären besser vereinbar, es ergäben sich betriebliche Impulse. Die Umfrage hat PwC Österreich durchgeführt.

Ein Duo aus Mann und Frau, aus einer erfahrenen und Nachwuchsführungskraft - all das hat Charme. Ein Duo kann auch Menschenführung besser leisten. Die Studie sieht Mehrwert: Führungskräfte würden Kompetenzen bündeln und entlastet. Die Firmen bekämen hochwertigere Entscheidungen und würden für Mitarbeiter attraktiver.

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