Die Lifte und Seilbahnen werden seit Jahren hauptsächlich mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen betrieben, ebenso wie die Beschneiungsanlagen. Eine Schwachstelle im Energiemix ist allerdings nach wie vor die Pistenpräparierung - ohne Diesel geht hier bisher nichts. Es wurde mit der Beimischung von Erdgas bei der Verbrennung von Diesel versucht und auch mit Flüssiggas. Christian Paar, seit heuer Geschäftsführer der Kässbohrer Austria GmbH in Kuchl, fasst die Entwicklung aus langjähriger Erfahrung so zusammen: "Die Versuche mit Erdgas haben technisch funktioniert, das Problem war die Logistik." Daher habe man sich umorientieren müssen.
Wasserstoff als Treibstoff stehe auf der Agenda, doch die Brennstoffzelle habe für den Einsatz bei einem Pistenbully viele Nachteile. So werde die Zelle bei einer Steigung direkt beeinträchtigt, und ab 1500 Metern Seehöhe sinke die Leistung. Daher sehe man die besten Chancen in synthetisch erzeugten Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels. Sie sind bei der Verbrennung zwar nicht CO2-frei, aber sie setzen nur jenes Kohlendioxid frei, das bei der Erzeugung aus der Luft entnommen wurde. Daher seien sie "zu 90 Prozent klimaneutral", sagt der Pistenbully-Chef. E-Fuels können herkömmlichem Diesel beigemischt werden und verringern dadurch den CO2-Ausstoß zum reinen Dieselbetrieb. Der Hauptvorteil aus Sicht der Skigebiete sei, dass der Fuhrpark nicht umgestellt werden müsse.
Bei Skidoos, die das Liftpersonal für kleinere Transporte verwendet oder die bei der Pistenrettung eingesetzt werden, gibt es vereinzelt Fahrzeuge, die elektrisch und damit emissionsfrei unterwegs sind. Seit Jahren setzen die Pitztaler Gletscherbahnen darauf, doch diese Skidoos stoßen in der Kälte schnell an ihre Grenzen bei der Leistung und der Haltbarkeit der Akkus.
Umso schwieriger ist eine Änderung bei den Pistenraupen. Sie müssen leistungsstark sein, um den gewünschten Komfort für die Skifahrer zu erzielen - kompakte Pisten, die länger als nur zwei oder drei Stunden halten wie früher. Die Motoren laufen fast ständig unter hoher Belastung. Rund 2000 Betriebsstunden kommen pro Pistengerät in der Wintersaison zusammen. Der Verbrauch pro Stunde beträgt rund 30 Liter Diesel, pro Gerät also etwa 60.000 Liter pro Jahr. In Österreich sind nach Angaben der Seilbahnwirtschaft rund 2000 Pistengeräte im Einsatz (etwa die Hälfte davon in Tirol), die rund 30 Millionen Liter Diesel verbrauchen. Das bedeutet einen CO2-Ausstoß von rund 40.000 Tonnen im Jahr.
Der Bedarf in Österreich liegt bei rund 130 Fahrzeugen im Jahr, den Markt teilt man sich mit der Südtiroler Firma Prinoth, die zum Leitner-Konzern gehört. Ein leistungsstarkes Gerät kostet rund eine halbe Million Euro, die Pistenraupen sind etwa acht bis zehn Jahre im Einsatz. Durch Corona sei der Bedarf aber eingebrochen, weil ja in den oft leeren Skigebieten auch weniger Betriebsstunden benötigt wurden. Dennoch sehe man sich weiter als technologischer Vorreiter, betont der Pistenbully-Österreich-Chef.
Mit einem Pilotprojekt auf dem Hintertuxer Gletscher im Zillertal kommt das Thema E-Fuels nun erstmals in die Praxis. Ein Pistengerät wird diese Saison mit dem neuartigen Treibstoff betrieben, um die Funktionalität unter Echtbedingungen zu testen. Klaus Dengg, Geschäftsführer der Zillertaler Gletscherbahn, erhofft sich davon wichtige Aufschlüsse: "Wenn die Pistenpräparierung CO2-neutral erfolgen könnte, wäre das eine saubere Sache für Mensch und Umwelt", erklärte er vergangene Woche bei der Präsentation. Dengg sieht darin enormes Potenzial für seine Tourismusregion.
Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt im Zillertal von der Forschungsabteilung des Motorenentwicklungsunternehmens AVL List aus Graz. In der AVL-Zentrale ist derzeit eine Power-to-Liquid-Anlage im Aufbau, die nächstes Jahr 100.000 Liter E-Fuel erzeugen soll. Hinter dem Projekt steht auch die eFuel Alliance mehrerer österreichischer Unternehmen. Sie hoffen, dass Österreich bei der Technologie an der Spitze mitmischt. Jürgen Roth vom gleichnamigen Tankstellenunternehmen aus Graz ist Vorsitzender der Initiative: "E-Fuels sind nicht nur sauberer, sie tragen maßgeblich zu einer sozial verträglichen Energiewende bei, weil die Treibstoffe im bestehenden Fuhrpark eingesetzt werden können."
Die Kässbohrer Geländefahrzeug AG sei bei ihren Pistenbullys, die in der Zentrale in Laupheim (Baden-Württemberg) gefertigt werden, mit den E-Fuels so weit, dass ab 2022 die Neuauslieferung mit einer kleinen Menge des synthetischen Sprits erfolge, sagt Christian Paar. Die Skigebiete seien interessiert, derzeit sei der Treibstoff aber noch nicht in größeren Mengen verfügbar.
Darüber hinaus hat das Unternehmen auch Pistengeräte im Portfolio, bei denen Elektro- und Dieselantrieb kombiniert sind.
Vollelektrisch kann es Pistenbully aber auch - wenn nicht so viel Leistung gefragt ist wie auf alpinen Skipisten. Es gebe zum Beispiel ein Loipenspurgerät, das rund 3,5 Stunden einsatzbereit sei und danach in fünf bis sechs Stunden wieder voll aufgeladen werde, erzählt Paar. "Heuer werden drei Prototypen zu Kunden geliefert", darunter Seefeld. Kleinere Pistengeräte, wie sie in Skihallen ausreichen, mit Elektroantrieb seien ebenfalls ein Thema, so der Pistenbully-Chef.
Interessengemeinschaft für CO2-neutrale Treibstoffe: eFuel Alliance
Als branchenübergreifende Interessengemeinschaft wurde die eFuel Alliance Österreich im Sommer gegründet. Die Initiative, die vor allem von der Wirtschaftskammer sowie von Mineralölhändlern getragen wird, setzt sich für die industrielle Produktion von synthetischen flüssigen Kraft- und Brennstoffen aus erneuerbaren Energien ein.
Sogenannte E-Fuels basieren auf der Gewinnung von Wasserstoff in der Elektrolyse. Der Strom dafür stammt aus Wind- und Solaranlagen. In einem zweiten Schritt wird der Wasserstoff mit CO2, das aus der Luft entnommen wird, verbunden und verflüssigt (im Fachjargon Power to Liquid). Im Gegensatz zu herkömmlichen Kraftstoffen setzen E-Fuels kein zusätzliches CO2 frei, sondern sind in der Gesamtbilanz klimaneutral. Sie können herkömmlichem Sprit wie Diesel, Benzin oder auch Kerosin beigemischt werden und mit heutigen Verbrennungsmotoren klimaschonender Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe antreiben. Bestehende Tankstellen können weiter genützt werden.
Ein Vorzeigeprojekt für die Technologie wird bis 2023 beim Technologiekonzern AVL in Graz gebaut. Die bisher effizienteste Power-to-Liquid-Anlage Europas soll rund 100.000 Liter sogenannter E-Fuels pro Jahr erzeugen. Die Anlage solle Vorbild für den industriellen Einsatz weltweit sein, hieß es bei der Präsentation Anfang November.