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"Warum haben wir kein gutes Image?"

Der Wintertourismus sei eine der ganz großen Erfolgsgeschichten der Zweiten Republik. Er werde aktuell aber trotzdem schlechtgemacht.

Der Wintertourismus sei eine der ganz großen Erfolgsgeschichten der Zweiten Republik.
Der Wintertourismus sei eine der ganz großen Erfolgsgeschichten der Zweiten Republik.

Erich Egger, Sprecher der Salzburger Seilbahnwirtschaft, kann das nicht nachvollziehen. Im Interview erklärt er, warum, und spricht über aktuelle Herausforderungen.

Wie groß ist die Anspannung knapp vor Beginn der Saison? Erich Egger: Ich habe mir im Zuge der Diskussionen in den letzten Monaten immer wieder die Frage gestellt: Warum haben wir eigentlich ein so schlechtes Image? Das ist ja höchst eigenartig. Wir haben auf der einen Seite unglaublich viele Menschen am Berg, wir haben sehr viele Skifahrer, die zu uns kommen und uns rückvermitteln, wie begeistert sie sind. Andererseits, als die Diskussion um das Energiesparen begonnen hat, war das Erste, das manchen Leuten eingefallen ist: die Beschneiung und die Lifte und die Sitzheizungen. Da muss irgendein Zusammenhang bestehen: Hier diese Begeisterung unserer Gäste, auf der anderen Seite das Thema Energie und reflexartig wird auf eine Branche hingehackt.

Das Positive in dieser folgenden Diskussion war dann für mich, dass die Staatssekretärin für Arbeit und Wirtschaft, Susanne Kraus-Winkler, aufgestanden ist und das Umweltbundesamt beauftragt hat festzustellen, wie viel Energie wir im Wintertourismus wirklich verbrauchen. Und dann stellt sich heraus, dass wir nicht einmal ein Prozent brauchen. Aber die mediale Diskussion lief zum Teil so, dass man hätte annehmen können, zuerst kommt der Tourismus mit seinem Verbrauch, dann kommt lang nichts und dann die Industrie. Aber: Es ist nicht nur genau umgekehrt - sondern es ist, was wir an Wertschöpfung erzielen und erwirtschaften in Relation zu dem, was wir an Energie verbrauchen, eigentlich unglaublich. Nämlich unglaublich positiv.

Es war zu hören: Am End' können wir nicht ausreichend heizen und die schalten ihre Schneekanonen ein … Es hat keiner überlegt, dass vielleicht der Industriebetrieb ums Eck seine Produktion um zehn oder zwanzig Prozent drosselt. Nein, man hat sofort gesagt: "Die sollen die Beschneiung abschalten!" - damit schaltet man aber auch den Wintertourismus ab. Zu warten, bis der Naturschnee in ausreichender Menge kommt, kann bedeuten, dass der erst im Jänner kommt. Dann hat man aber schon so viel von der Saison verloren, dass die Saison kein gutes Ergebnis bringen kann. Es hängen nicht nur unsere 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dran. Sondern viel, viel mehr Arbeitsplätze, da hängt der ganze Wintertourismus im Westen dran.

Darum denke ich: Ist es der Ausdruck von purem Egoismus oder der Ausdruck des Florianiprinzips? Dass man auf eine Branche, in diesem Fall ist es der Wintertourismus, so sehr einhackt, ist schon eigenartig. Weil: Ich bin davon überzeugt, dass der Wintertourismus eine der ganz großen Erfolgsgeschichten der Zweiten Republik ist. Wenn man sich vorstellt, dass wir mit dem Wintertourismus sanft und klein gestartet sind. Erst in den 60er- und 70er-Jahren wurde da und dort eine nennenswerte Infrastruktur geschaffen ...

Wie es aussieht, waren die letzten Coronawinter im Vergleich zu der Gemengelage an aktuellen Herausforderungen eher noch die leichte Übung. Im ersten Coronawinter, also in jenem von 2019/2020, hat man am 15. März 2020 eine hervorragend laufende Wintersaison abgeschnitten. Die meisten Seilbahngesellschaften und auch die touristischen Betriebe haben aber einen Großteil der Ernte eingebracht. Der nächste Winter, 2020/2021, war dann ein Totalverlust. Die, die im Ort wohnten, und ein paar Tagesgäste sind Ski fahren gegangen - aber es war in Summe eben ein Totalverlust. Und der letzte Winter 2021/2022 war auch massiv beeinträchtigt. Wir haben ja im Land Salzburg bis zum 17. Dezember einen Lockdown in der Hotellerie und Gastronomie gehabt, folglich auch noch viele Maßnahmen und Virusvariantengebiete, frühere Sperrstunde, dazu 2G oder 3G.

Bild: SN/heinz bayer
Fragezeichen gibt es noch recht viele.
Erich Egger, Branchensprecher

Man hat sich natürlich über drei Winter hinweg Regeln so weit angeeignet, bis man sagen konnte: Okay, damit kannst du jetzt irgendwie leben und umgehen. Die Wirkung nach außen war aber eine Katastrophe. Man hat gesehen: Bis Februar war das Geschäft de facto massiv gebremst. Erst ab Mitte Februar ist die Saison wirklich angegangen. Das war aber für viele zu spät. Und ohne die Coronahilfen würden auch jetzt noch viele Seilbahnen negativ bilanzieren.

Der Unterschied zu jetzt und zur Energiesituation: Wir haben gar keine Erfahrung, wir wissen gar nicht, was kommt. Das bringt eine große Unsicherheit. Wir haben gehört, dass Frau Minister Leonore Gewessler gesagt hat: "Stresstest Strom: Es sollte passen mit der Stromversorgung." Das ist natürlich eine gewisse Erleichterung. Unsere Gäste wollen ja wissen, wenn sie zu uns kommen: Ist es warm, ist es kalt, fährt der Lift, fährt er nicht? Darum kann man mit dem jetzt schon nach außen gehen und auch entsprechend Werbung machen. Aber es gibt nach wie vor viele Fragezeichen. Wir haben aber in Krisenzeiten - mit Ausnahme von Corona - gesehen, dass der Tourismus sehr krisenresistent gewesen ist. Lediglich das Virus hat uns in die Knie gezwungen, da eben der Kontakt zwischen Gast und Gastgeber nicht stattfinden konnte. Aber genau der macht es ja aus.

Wie geht es Ihrer Branche mit den Mitarbeitern? Wir haben in den letzten Jahrzehnten bei den Seilbahnen, Sesselliften und Schleppliften mit Stamm- und Saisonmitarbeitern kaum Probleme gehabt. Jetzt, in den vergangenen drei, vier Jahren, hat sich ein Facharbeitermangel aufgetan. Der trifft uns vor allem bei den Elektrikern oder Schlossern. Darauf haben wir auch geantwortet. Mit dem Lehrberuf des Seilbahntechnikers, der -technikerin. Da haben wir einiges abfangen können. Aber wir sind natürlich auch Teil der Alterspyramide, die in Österreich am Kopf steht. Und wenn jetzt Stammmitarbeiter, die teils 40 Jahre im Betrieb gearbeitet haben, in Pension gehen, dann reißt das Lücken, die gar nicht mehr so leicht zu füllen sind.

Bei den Saisonmitarbeitern ist die Situation sogar noch drastischer. Wir hatten klassischerweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aus der Landwirtschaft kamen bzw. Nebenerwerbsbauern sind - die suchten sich zum Teil aber Ganzjahresjobs oder haben, und das sind gar nicht so wenige, beim Maschinenring angeheuert. Der hat seine Aktivitäten jetzt auch auf den Winter ausgeweitet. Und auch die Baubranche hat sich ganz anders entwickelt. Der Bau hat früher im Herbst aufgehört mit der Arbeit und im Frühjahr wieder begonnen. Jetzt, mit den neuen technischen Möglichkeiten, können die fast den ganzen Winter durcharbeiten. Die gehen dann nicht mehr zum Lift.

Das heißt, wir müssen jetzt Mitarbeiter aus entfernteren Regionen und Bereichen gewinnen, und für die müssen wir ein Quartier zur Verfügung stellen. Auch eine Situation, die für uns neu ist. Am Arlberg musste man das immer schon machen. Bei uns war es bisher nicht notwendig. Aber der Druck ist sehr groß. Wir haben hier in Zell am See schon das erste Mitarbeiterhaus gebaut bzw. ein bestehendes Objekt umgebaut. Wir bauen jetzt ein neues, sind in der Planung, es umfasst fast 40 Einheiten. Wir sehen: Der Bedarf ist riesig. Das hat sich alles sehr verschärft. Auch der Facharbeitermangel ist extrem - wir können, was die Arbeitszeiten betrifft, nicht so flexibel sein wie andere. Wir können nicht einfach am Sonntag Ruhetag machen.

Werden heuer, trotz allem, sämtliche Pisten beschneit? Davon gehe ich aus. Alles andere wäre den Gästen gegenüber schwer zu argumentieren. Die Beschneiung ist für uns eine Art von Grundproduktion. Wenn du das abstellst, ist der Rest auch erledigt. Am schönsten wäre - wenn ich es mir aussuchen könnte - um den 20. November herum ein Kaltlufteinbruch, dann zehn Tage Grundbeschneiung und am 2. Dezember aufsperren.

Tourengehen entlang oder auf Pisten ist der Trend schlechthin. In einzelnen Regionen müssen die Tourengeher zahlen, wenn sie Pisten und Parkplätze benutzen. Kommt eine einheitliche Regelung? Das ist ein stark diskutiertes Thema. Auch bei uns. Eine generelle Regelung scheitert aber daran, dass nicht jedes Skigebiet die Möglichkeit hat, eigene Aufstiegsspuren zu schaffen, wo dann auch eine Kontrolle möglich ist und wo man jemanden durch ein Drehkreuz gehen lässt. Die Kollegen im Glemmtal sagen, das geht gar nicht, weil das Tal sehr lang und eine Kontrolle nicht möglich ist. Dort, wo eine Möglichkeit besteht, versuchen wir einen Obolus für den Parkplatz zu verlangen, als Beitrag für die Erhaltung der Infrastruktur. Wesentlich ist, dass sich all jene, die auf oder neben den Pisten unterwegs sind, an Regeln halten. Nicht gefährlich queren. Nicht durch für Kinder abgesperrte Bereiche marschieren. Dass der Hund, der mitgeht, angeleint ist.

Kurz gesagt: dass die Vernunft eben nicht drunten in der Talstation vergessen wird.



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