Alois Hinteregger ist seit November wieder zurück im Berufsleben. Mit 65 hat der Oberalmer beim Maschinenbauer Emco als Projektmanager in Vollzeit angeheuert. Eine Frage, die er seither oft gehört hat: "Warum tust du dir das an?" Hintereggers Antwort: "Aus Spaß an der Beschäftigung." Nur sporteln, lesen oder Enkelkinder, das sei zu wenig, "irgendwann geht dir die Produktivität ab". Und er habe noch das Bedürfnis, sein Wissen weiterzugeben.
"Wenn du von 100 auf 0 runterfällst, dann ist das arg"
In seinem langen Berufsleben war Hinteregger schon einmal - von 1987 bis 1995 - bei Emco, zuerst im Verkauf, dann als Bereichsleiter für konventionelle Werkzeugmaschinen. Mit der Insolvenz der Firma stieg Hinteregger beim Halleiner Maschinenbauer aus. Es folgten 24 Jahre als Geschäftsführer in einem Kunststoffunternehmen. Als der Eigentümerkonzern vor wenigen Jahren den Betrieb zusperrte, wählte der Oberalmer mit 62 den Schritt in die Korridorpension. "Im Nachhinein ein Fehler", sagt er heute. Denn Ruhe fand er in der Pension keine, "ich war eineinhalb Jahre grantig". Der abrupte Ausstieg sei so nicht geplant gewesen, "und wenn du von 100 auf 0 runterfällst, dann ist das arg".
Doch alle Versuche, geringfügig einen Job zu finden, um gleichzeitig nicht die Pension zu verlieren, blieben erfolglos. 28 Firmen habe er abgeklappert, "aber in meinem Bereich kommst du mit ein paar Stunden nicht weit". Mit 65 und damit der Möglichkeit, voll dazuverdienen zu können, ist er nun wieder zurück. Und er hat kein Problem damit, dass er von seiner Pension und seinem Einkommen Lohnsteuer bezahlt. Für übertrieben hielte er es allerdings, wenn es zu einer Nachzahlung kommen würde.

Warum erst so wenige am Un-Ruhestand Gefallen finden? "In Österreich ist das eine Geisteshaltung, die über Jahrzehnte in die falsche Richtung gegangen ist. Wenn du ehestmöglich ohne Abschläge in Pension gehen kannst, bist du der Hero", sagt Hinteregger. Politik und Wirtschaft hätten ihren Teil dazu beigetragen. Er sei in Steyr aufgewachsen, in vielen Unternehmen seien die Menschen reihenweise "mit einer Aktion 55" in die Frühpension gedrängt worden. Das große Gejammer nach fehlenden Fachkräften komme jetzt zu spät. Der Spaß, den sich Hinteregger gönnt, wenn jemand fragt, wie lange er denn vorhabe, in der Pension zu arbeiten: "Ich antworte dann, ich habe einen Fixvertrag für 20 Jahre."
Vollzeitjob erst über 60
Zumindest noch zwei Jahre will Sonja Wallinger ihren Vollzeitjob in der Verwaltung einer Privatklinik im Tennengau weiter machen. In den ist die 61-Jährige aus St. Koloman wenige Monate vor ihrem Regelpensionsalter gewechselt, davor saß sie 25 Jahre lang an der Rezeption der Klinik - in Teilzeit. Sport und Reisen seien ihr immer wichtig gewesen, dafür brauchte sie Zeit. "Ich bin ein Mensch, der im Jetzt lebt." Ein wenig dazuverdient hat sie sich über all die Jahre mit geringfügigen Jobs in der Gastronomie, "das hat mir einfach Spaß gemacht". Sie verstehe deshalb auch die Jungen, die weniger arbeiten und das Leben er-leben wollten.
Mit zunehmendem Alter würden sich die Prioritäten allerdings ändern. "Man wird ruhiger", sagt Wallinger. Aber sie sei auch nicht der Mensch, der Töpferkurse macht oder sich in einer Sozialeinrichtung ehrenamtlich engagiert, deshalb habe sie das Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt, dass sie bald 60 werde und in Pension gehen könne, "völlig überrascht".

So arbeitet Wallinger nach einem späten Karrieresprung nun in der Pension Vollzeit weiter. Viel größer werde die Pension dadurch in Zukunft nicht, sagt sie, "aber ich hab noch nie viel gebraucht". Antrieb zu bleiben seien auch Veränderungen in der Klinik gewesen - mit neuer Leitung und jungem Team. "Ich wollte wissen, wie es weitergeht", sagt Wallinger. "Neues hat mich immer fasziniert." Außerdem: "Mit 61 ist man heute keine alte Frau."
Mit 68 ins Geschäft
Bereits 68 ist Martha K. (Name geändert). Seit einem Monat bäckt und bedient sie in der Feinkost bei Billa in ihrer Pinzgauer Heimatgemeinde. "Das hat sich einfach perfekt ergeben, das Geschäft ist bei mir ums Eck, ich bin Stammkundin. Wie ich gehört habe, dass Billa Pensionistinnen sucht, bin ich hingegangen, und die haben gleich gesagt: Super, wenn du kommst." Die Kolleginnen seien froh, wenn wer einspringe - gerade an Samstagen und Sonntagen, an denen in der Tourismusgemeinde geöffnet ist. Sie sei froh, acht Stunden in der Woche zu arbeiten. "Zum Handarbeiten, Leutetreffen und für meinen Leihhund hab ich den Rest der Woche genug Zeit." Auch der Job sei ihr vertraut, da sie vor der Pension im Gastgewerbe gearbeitet habe. "Und ein bissl mehr Geld freut jeden."
Mit Plakatständern vor vielen Filialen und dem Slogan "Pause vom Ruhestand" wirbt Billa derzeit gezielt um Pensionisten. Zudem habe man jene 700 meist weiblichen Mitarbeiter, die seit dem Jahr 2020 in Pension gegangen sind, im Dezember angeschrieben, mit dem Angebot, zum einstigen Arbeitgeber zurückzukehren und sich mit einer geringfügigen Beschäftigung (500,91 Euro) etwas zur Pension dazuzuverdienen. Mit Erfolg, sagt Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher. Waren Anfang Dezember noch 400 geringfügige Positionen bei der Supermarktkette unbesetzt, so sind es mittlerweile nur noch 180.
Ein bisserl Geld dazu verdienen
Jenseits der 65 sind in Österreich nur 11.387 Männer und 6721 Frauen unselbstständig beschäftigt (Stand Nov. 2022). Bei den Selbstständigen sind es deutlich mehr. Geringfügig arbeiten mit 65+ dagegen fast gleich viele Männer (19.322) wie Frauen (18.557). Zwischen 60 und 64 sind 38.509 Frauen noch beruflich aktiv, weitere 21.155 Frauen (Männer: 13.470) arbeiten geringfügig.
Anreize für längeres Arbeiten werden aktuell diskutiert. Wer in Regelpension ist, kann unbegrenzt dazuverdienen, muss das aber nicht nur versteuern, sondern auch Sozialversicherungs-, insbesondere Pensionsversicherungsbeiträge zahlen, was Seniorenvertreter seit langem kritisieren. Für geringfügig beschäftigte Pensionisten gilt das nicht.