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Diese Frau fuhr 2500 Mal mit der Achterbahn - jetzt zieht sie Bilanz über Abenteuer mit viel Auf und Ab

Schneller, höher, länger - das Leben von Nicole Rojo dreht sich um Achterbahnen. Je spektakulärer, desto besser.

Beim „High Five“ der Dauling Dragon Achterbahn im chinesischen Wuhan können die Passagiere von zwei Zügen einander quasi „abklatschen“.
Beim „High Five“ der Dauling Dragon Achterbahn im chinesischen Wuhan können die Passagiere von zwei Zügen einander quasi „abklatschen“.
Sommerliches Vergnügen am Alpine Coaster in Imst.
Sommerliches Vergnügen am Alpine Coaster in Imst.
Auf der Hängeachterbahn zum selber Steuern: Hummel Brummel im Schwabenpark östlich von Stuttgart.
Auf der Hängeachterbahn zum selber Steuern: Hummel Brummel im Schwabenpark östlich von Stuttgart.
Stolzes Zwischenziel für Nicole: die ersten 2500 Coaster-Fahrten.
Stolzes Zwischenziel für Nicole: die ersten 2500 Coaster-Fahrten.

Sie hat ein sehr ungewöhnliches Hobby. Die 36-jährige Nicole Rojo reist um die Welt, um Achterbahn zu fahren. 2500 Fahrten auf vier Kontinenten hat sie bis heute absolviert. Nicole ist auch Repräsentantin für Deutschland, Österreich und die Schweiz im European Coaster Club, in dem sich Achterbahnfans aus ganz Europa zusammentun. Auf ihrer eigenen Website dokumentiert sie jede ihrer Fahrten mit Fotos und Videos. Eine Bahn, die sie aus Angst nicht fahren würde, gibt es für Nicole nicht.

Sicher können Sie sich noch an Ihre erste Fahrt erinnern. Wie alt waren Sie da? Nicole Rojo: Da war ich sechs oder sieben und wir machten einen Familienausflug. Ich kann nicht mehr sagen, ob ich den "Rasenden Tausendfüßler" in Tripsdrill oder den "Superwirbel" im Holiday Park in Haßloch zuerst gefahren bin. Aus Sicherheitsgründen ist eine Mindestgröße vorgeschrieben. Ich durfte lange nicht mitfahren, weil ich noch zu klein war. Als ich dann groß genug war, habe ich mich riesig gefreut.

Sie haben gerade Ihre 2500. Fahrt gemacht. Wo war das? Im August auf einer Tour durch Dänemark, Polen, Schweden und Deutschland, und zwar auf der "Dragon" auf einer polnischen Kirmes. Und die nächsten Fahrten im Herbst in den USA sind schon geplant.

Wenn Sie alle Ihre Fahrten Revue passieren lassen - welche war etwas ganz Besonderes und warum? Eine ganz besondere Bahn ist für mich der "Top Thrill Dragster" im amerikanischen Cedar Point in Ohio. Als ich die Fahrt das erste Mal im Fernsehen gesehen habe, wollte ich damit unbedingt fahren. Der Ride beschleunigt von null auf etwa 200 km/h in vier Sekunden, aus 122 Metern Höhe geht es senkrecht hinab, während sich der Fahrgast im Sitz um die eigene Achse dreht. Die ganze Fahrt dauert nur 17 Sekunden, aber es lohnt sich. Dafür wartete ich auch "gern" eine Stunde. Meine Liebe zu der Bahn ist so groß, dass mein Mann mir dort den Antrag gemacht hat.

Wie oft haben Sie diese Fahrt schon gemacht? Ich bin seit 2006 mindestens alle zwei Jahre in Cedar Point gewesen und dann auch immer für zwei Tage. Da mache ich an sehr guten Tagen zehn bis 15 Fahrten. Mittlerweile wurde die Bahn aber nach einem Unfall 2021 geschlossen und 2024 in einer umgebauten Version wieder geöffnet.

Wie viele Mitglieder hat der European Coaster Club? Etwa 3000 auf der ganzen Welt. Ich bin für Deutschland, Österreich und die Schweiz zuständig. Ich sitze auch in einer Jury für das englische "Park World Magazine", weil ich viele der Rides, die ich beurteile, selbst gefahren bin. Das Magazin vergibt ein Mal im Jahr Preise, etwa für die beste neue Achterbahn, den besten regionalen Park, den besten Wasserpark oder Dark Ride, also eine Indoor-Fahrt mit speziell beleuchteten Szenen, Musik und Spezialeffekten.

Auf der Website von Coaster-Count liefern sich Achterbahnfans aus aller Welt eine Art Wettrennen. Wie funktioniert das genau? Für jede neue gefahrene Bahn gibt's einen "Count", einen Punkt in der Rangliste. Damit zählt und dokumentiert jeder registrierte User seine gefahrenen Achterbahnen. Auf der Seite sind circa 16.000 Bahnen aus den letzten 20 Jahren verzeichnet. Gut 7000 davon sind weltweit noch aktiv.

Wie viele Fahrten hat der aktuelle Rekordhalter? Der Rekordhalter hat derzeit 3827 Fahrten.

Den wollen Sie mit Ihren 2465 Fahrten doch sicher noch einholen. Oder? Ich würde gern noch die 3000 vollmachen.

Planen Sie Ihren Urlaub gezielt um Achterbahnfahrten herum? Meinen bald Ex-Mann habe ich auf einer Achterbahntour des European Coaster Club in China kennengelernt. Auch mein derzeitiger Freund fährt gern Achterbahn. Wir suchen uns die Urlaubsziele strikt nach bestimmten Fahrten und Parks aus. Wenn wir touristisches Sightseeing oder andere Aktivitäten machen, dann nur, um die Zeit zwischen den Fahrten zu füllen.

Ist das noch Urlaub? Wenn wir jetzt zwei Wochen in den USA sind, besuchen wir jeden Tag einen anderen Freizeitpark und fahren morgens zwei bis drei Stunden Achterbahn und abends bis zu drei Stunden mit dem Auto zum nächsten Park. Das ist kein Urlaub, das ist Stress. In den USA ist die Logistik ja noch einfach, in China kommen rund drei Wochen Planungsstress dazu.

Ihr Hobby geht ganz schön ins Geld. Wie viel, schätzen Sie, haben Sie schon für Ihre "Achterbahn-Sucht" ausgegeben? Vermutlich schon 60.000 bis 70.000 Euro in den letzten 20 Jahren.

Sind Sie schon mal in einer Bahn stecken geblieben? Ja, vier Mal musste ich aus der Bahn aussteigen. Zwei Mal in der Schlussbremse und zwei Mal auf dem Lift. Aber das ist unproblematisch. Es gibt ein Geländer und eine Treppe. Bleibt der Wagen stecken, kommt ein Mitarbeiter hinauf und begleitet den Fahrgast hinunter.

Haben Sie schon mal einen Unfall erlebt? Nein, bisher nicht, technische Probleme konnten meist wieder behoben werden.

Die Coaster-Fans haben eine eigene Sprache, wenn sie sich über ihre Fahrten unterhalten. Worüber genau reden Sie da? Wir vergleichen insbesondere die "Airtime", also die Zeit, in der uns die Fliehkräfte aus dem Sitz heben und man quasi schwebt. Oder wir reden über den Launch, also den Abschuss oder die Beschleunigung. Da wird es dann sehr technisch. Der Abschuss funktioniert mit Druckluft oder hydraulisch. Und man beschleunigt auf 180 Stundenkilometer in ein paar Sekunden. Da verziehen sich dann wegen der Fliehkraft schnell die Gesichtszüge.

In Abu Dhabi gibt es die weltweit schnellste Bahn, die "Kingda Ka" in New Jersey war die höchste, die "Steel Dragon 2000" im japanischen Kuwana ist die längste. Welche dieser Bahnen der Superlative sind Sie schon gefahren? Ich bin sie alle gefahren. Die höchste, schnellste und längste Bahn.

Und welche davon mehrmals? Alle. Die Kingda Ka zuletzt im letzten Jahr sieben Mal in drei Stunden. Ende des Jahres eröffnet die "Falcon's Flight" im saudi-arabischen Qiddiya. Da hat man dann alle Superlative in einer Fahrt.

Ist der Besuch dahin schon geplant? Ja, wenn die Bahn dieses Jahr öffnet, dann bin ich Ende März 2026 dort. Auch wenn Saudi-Arabien ein Land ist, das ich sonst nicht besuchen würde.

Haben Sie noch Herzrasen während der Fahrten? Nein, erhöhtes Herzklopfen habe ich nicht mehr. Ich habe mal aus Interesse mit einer Smartwatch meinen Pulsschlag gemessen. Der war beim Einsteigen wegen der Vorfreude höher als bei der Fahrt selbst. Einen Adrenalinkick habe ich nur noch selten. Aber kürzlich bin ich eine Doppel-Looping-Rutsche mit Falltür gefahren, bei der man einen freien Fall erlebt. Da hat mein Herz dann schon noch gepocht.

Achterbahnfahren scheint trotzdem förderlich für Ihre Gesundheit zu sein. Warum? In China bin ich mit Rückenschmerzen eine Holzachterbahn gefahren, die ziemlich ruckelt. Durch die Vibrationen wurden meine Schmerzen gleich besser. Nach einer zweiten Fahrt waren die Rückenbeschwerden wie weggeblasen. Leider kann ich nicht immer nach China fliegen, wenn ich Rückenschmerzen habe (lacht).

Gibt es auch Fahrgeschäfte, die Sie auf keinen Fall fahren würden oder bei denen Ihnen schlecht wird? Ich fahre alles, schlecht geworden ist mir noch nie. Fünf bis sechs Fahrten hintereinander sind kein Problem. Auch bei uns im Coaster Club habe ich noch keinen Einzigen erlebt, dem es schlecht wurde.