Denke ich an meine Kindheit zurück, erwachen viele positive Erinnerungen, die mit der katholischen Kirche in Verbindung stehen. Bereits mit fünf Jahren übernahm ich die ersten kirchlichen Aufgaben als Ministrantin. In meiner Volksschulzeit war Religion mein Lieblingsfach, auch meine Freunde waren alle katholisch. Ein paar Jahre später lernte ich sogar Orgel zu spielen und seitdem übernehme ich regelmäßig die musikalische Messgestaltung.
In meinem Glauben bin ich mir zwar ziemlich sicher, doch nicht, was die katholische Kirche betrifft. Ich finde es unfair, dass Frauen in der Kirche nicht gleichberechtigt sind. Wieso können Frauen keine Priesterinnen sein? Für mich hört sich das Priesteramt nach einem schönen Beruf an. Gerne würde ich mich als Priesterin mit Gläubigen treffen und ihnen neue Denkanstöße geben. Ich würde den Trauernden Hoffnung spenden und Alte und Kranke besuchen, um ihnen meinen Segen zu spenden. Doch an der Sache gibt es einen Haken: Ich bin eine Frau. Deshalb ist es mir nicht gestattet, diesen Beruf auszuüben. Wieso das so ist, kann ich einfach nicht nachvollziehen.
Frauen haben alle nötigen Fähigkeiten für das Priesteramt. Sie können während der Wandlung Jesus Christus ebenso repräsentieren wie Männer. Es mag sein, dass sich Männer und Frauen in manchen Dingen unterscheiden, doch das ist hauptsächlich gesellschaftlich bedingt. Erwiesenermaßen sind die Unterschiede innerhalb eines Geschlechts viel größer als die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Manche Frauen erfüllen vielleicht nicht die nötigen Grundvoraussetzungen für das Priesteramt, doch ebenso viele Männer sind nicht dafür geeignet. Aber ist das nicht in jedem Beruf so?
Von manchen Katholiken wird es als Tradition angesehen, das Priesteramt männlich zu besetzen. Doch nur weil etwas schon immer so gehandhabt wurde, heißt das nicht, dass es beibehalten werden sollte. Bis ins 19. Jahrhundert war es beispielsweise üblich, Aderlass als Behandlungsmethode bei Krankheiten anzuwenden. Den Patienten wurde viel Blut abgenommen, um die "schlechten Säfte" zu entfernen. Durch den starken Blutverlust wurden sie zusätzlich geschwächt und manche starben sogar. Aus heutiger Sicht ist eine solche Methode absolut undenkbar, doch die Ärzte damals hielten daran fest, da es "schon immer so gemacht wurde".
Nur weil etwas eine Tradition ist, heißt das noch lange nicht, dass diese beibehalten werden sollte. Stattdessen sollten alte Muster überdacht werden.
In der Bibel wird außerdem die Gleichheit betont: "Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist weder Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus." (Galaterbrief 3,28) Kein einziges Mal lässt sich in der Bibel ein Verbot des Priestertums für Frauen finden. Leider wurden manche Bibelstellen früher fälschlich interpretiert und als Rechtfertigung für die übergeordnete Rolle des Mannes verwendet. Beispielsweise berief Jesus zwölf Männer als Apostel, die als Vorbild für das Priesteramt gesehen werden.
Im Alten Testament steht außerdem, dass im Tempel Israels ausschließlich männliche Priester tätig waren. Doch diese männlich geprägten Erzählungen lassen sich meist im historischen Kontext verstehen. Ebenso kann es bei Übersetzungen zu Fehlern kommen. Der Name der Apostelin Junia, die eine der ersten Anhängerinnen Jesu war, wurde zum Beispiel bei älteren Übersetzungen vermännlicht, so die Theologin Prof. Agnes Wuckelt. Obwohl es in der katholischen Kirche in Österreich einen Priestermangel gibt, weigern sich die Entscheidungsträger, Frauen als Priesterinnen zuzulassen.
Diese Ungleichstellung ist einer von vielen Gründen, warum so viele Österreicher und Österreicherinnen aus der Kirche austreten. Waren 1951 noch 89 Prozent der österreichischen Bevölkerung katholisch, so sind es heute nur mehr knapp die Hälfte. Der Hauptgrund für diesen Trend ist, dass das kirchliche System in vieler Hinsicht veraltet ist und den Bedürfnissen der Menschen nicht entgegenkommt. Ein erster und wichtiger Schritt wäre, Frauen endlich als Priesterinnen zu erlauben!
Nora Grössenberger ist 16 Jahre alt, kommt aus Obertrum und besucht das SUM-RG in Salzburg.