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Das traditionelle Abwenden der Not

In Muhr macht am Freitag nach der Prozession mit den prächtigen Prangstangen auch der fünf Meter hohe Samson seine Aufwartung.

Seit dem späten Mittelalter war es in den katholischen Ländern Europas Sitte, in die Prozessionen verschiedene Gestalten aus der biblischen Geschichte einzubeziehen. Adam und Eva, Goliath mit dem kleinen David und Samson, der die Philister schlug. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde dieser allzu theatralische Brauch von der Obrigkeit verboten und die kirchliche Feier von den Umzügen getrennt. In dem aus dem Jahr 1802 stammenden Bericht des Lungauer Pflegers Ferdinand von Pichl heißt es dazu: "Die Erscheinung des Simson ist im Lungau ein altes Possenspiel, das wahrscheinlich eine Kapuzinererfindung ist und in mehreren Orten dem gaffenden Pöbel gegeben wurde!" Gott sei Dank haben sich die Riesenfiguren erhalten und erfreuen die Bevölkerung gleichermaßen wie die vielen Gäste, die dieses festliche Feiern miterleben. So auch am morgigen Prangtag in Muhr, wo nach der Prozession mit den prächtigen Prangstangen auch der 5 Meter hohe und 75 Kilogramm schwere Samson seine Aufwartung macht, ein Tänzchen wagt und sich artig vor der hohen Geistlichkeit verneigt. Pfarrer Peter Schwaiger hat ja am Festtag von Peter und Paul Namenstag und freut sich in erster Linie über die gemeinschaftsbildende Kraft des Prangtages. Gärten und Almwiesen stehen in voller Blüte, und in den letzten Tagen wurde in den bäuerlichen Gehöften geknüpft, gebunden, genagelt und gewunden. Im Unterschied zu Zederhaus, wo zu "Johanni" Prangtag war, sind die Prangstangen in Muhr über Generationen fest mit einem Gehöft verbunden. Im Abwenden der Not ist der Prangstangenbrauch begründet, der mit einer Heuschreckenplage am Ende des 17. Jahrhunderts in Verbindung gebracht wird.

Heute gestalten vielfältige Blumen das farbenfrohe Bild, wobei die "Sunnawendla", die Margeriten, noch immer die Grundlage bilden. 60.000 Blüten schmücken die bis zu sechs Meter hohen und bis zu 80 Kilogramm schweren "Himmelstangen". Girlanden aus Kornblumen oder Enzian, Gebinde aus grün-gelbem Frauenschuh und Pfingstrosen. Geschickte Hände verknüpfen den Hornklee, den Goldpippau und lila Skabiosen. "Jungfraunschiachla, Ramala und Hosenknöpf" sagen die Lungauer. Es sind auch geschützte Alpenpflanzen dabei, die aber nach dem schonenden Pflücken durch unterirdische Wurzelausläufer verstärkt austreiben und ihre Kraft vermehren.



Der Muhrer Prangtag 2011 und das "Prangstangenheig’n" in Zederhaus ist farbenfroher Inhalt im Hoagascht auf Servus TV. (Freitag, 19.45, Samstag, 15.00 Uhr).