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Ein ganzes Dorf wird zur Theaterbühne

Wenn Paula Groggers Schauspiel "Die Hochzeit von Gstatt" Publikum und Darsteller in das Jahr 1821 entführt, dann wird unversehens ein ganzer Ort zur Bühne.

Alle fünf Jahre verwandelt sich die Gemeinde Öblarn im steirischen Ennstal in die Bretter, die theatermäßig die Welt bedeuten. Über 300 Laiendarsteller spielen das Stück "Die Hochzeit" von Paula Grogger. Im Mittelpunkt steht dabei die historische Begebenheit um Erzherzog Johann, der im Jahr 1821 als Brautführer des Pflegers zu Gstatt in Öblarn war und die Hochzeit wohl auch zu einer Begegnung mit seiner großen Liebe, der Ausseer Postmeistertochter Anna Plochl, genutzt hat.

Lebhaftes Treiben auf dem malerischen Kirchplatz, Gespräche und Plaudereien über die heimliche Liebe, die Sorgen und Nöte der Bevölkerung und altes Brauchtum würzen und umrahmen die Handlung. Was für ein wunderbares Bild.

Vergangenheit und Gegenwart sind gleichermaßen lebendig und alle Beteiligten, vor und hinter der Bühne, schaffen im guten Miteinander was ganz Außergewöhnliches. Die Dorfleute schlüpfen in Originaltrachten des 19. Jahrhunderts und spielen ihre eigenen Vorfahren. Thorbäck, Stralz und Bader, das männliche Dreigestirn im Ort, Schulkinder, Schützen, Geistliche Herren, adelige Hochzeitsgäste, die Hebamme mit dem Festspielkindl und natürlich Erzherzog Johann, den steirischen Prinzen.

Im ersten Akt, dem "Einzug", füllt sich der Kirchplatz. In Rede und Gegenrede entsteht ein Bild der Zeit, ehe sich im zweiten Akt, der "Hochzeit", lebhaftes Treiben entwickelt. Mit dem Auftritt der Jahrmarktgaukler kommt Stimmung in das festliche Geschehen.

Die Kinder freuen sich, etliche sind verängstigt, eine junge Gauklerin macht den Herren schöne Augen und die Obrigkeit will das Fremde vertreiben. Paula Grogger legt dabei ihren Finger auf eine Schwachstelle der Toleranz, die das Stück auch in unserer Zeit aktuell macht. Spielleiter dieser Zeitreise ins 19. Jahrhundert ist Walter Thorwartl, dessen Vater eng mit der Dichterin Paula Grogger befreundet war.

1936 ist ihr bekanntester Roman "Das Grimmingtor" erschienen und im selben Jahr wurde auch die "Hochzeit" erstmals aufgeführt.

Mit der Hoffnung auf gutes Wetter sind die kommenden Freitage und Samstage bis zum 18. August diesem eindrucksvollen Spiel vorbehalten. Beginn ist jeweils pünktlich mit dem Glockenschlag um 18 Uhr.

Die Autorin des Stücks, Paula Grogger, wurde 1892 in Öblarn als erstes von zwei Kindern geboren und sollte eigentlich den väterlichen Eisenhandel übernehmen. Schon im Kindesalter hatte sie einen Hang zur Poesie und als junge Frau träumte sie davon, Dichterin, Malerin oder Schauspielerin zu werden. Das hohe Ansehen Groggers lässt sich daran erkennen, dass ihr 1926 erschienener Roman "Das Grimmingtor" bereits vier Jahre später die 40. Auflage notwendig machte. Grogger starb 1984 im Alter von 92 Jahren in Öblarn.




■ Bertl Göttl war für seinen "Hoagascht" auf Servus TV (Fr., 19.45, Sa., 15.00 Uhr) bei einer der letzten Proben in Öblarn und konnte dabei Jugenderinnerungen und alte Bekanntschaften auffrischen.