Wenn bei uns in diesen Tagen von Hüterbuben die Rede ist, denkt man meist an die Hirtenkinder, die mit musikantischem Talent für die verschiedenen Adventsingen proben.
In den niederösterreichischen Weinbaugebieten sind es die jungen Winzer, die in Erinnerung an die Weinhüter vergangener Zeiten einen alten Erntedankbrauch neu beleben. Am Leonhardisonntag im November ist in der Gemeinde Perchtoldsdorf südlich von Wien Erntedank. Ein Fest für alle Sinne, an dem Bevölkerung und Gäste gemeinsam feiern. Im Mittelpunkt steht der als Weltkulturerbe ausgezeichnete Hüataeinzug, der sich aus dem bäuerlichen Erntedankfest der Weinhauer entwickelt hat.
Mit überlieferten Ritualen, sichtbaren Zeichen und Funktionen und der an die 80 kg schweren Hüatapritschn, die so wie unsere Erntekrone in die Kirche getragen wird. Bindeglied zwischen den Generationen sind die jungen Hauersöhne, die die Tradition der Weinhüter lebendig halten. Die Woche vor dem Hüataeinzug ist schon ausgefüllt mit überlieferten Bräuchen und Geselligkeit. So treffen sich zuerst einmal die Althüterväter, bevor sich die Hüatabuam beim Pfarrer mit dem gesammelten Pfarrwein einstellen. Gemeinschaftlich werden die Herzen für die Hiatapritschn gemacht, Jung und Alt ist beteiligt, in geselliger Runde wird gebohrt, geschnitten, gebunden und gesteckt. Mit herbstlichem Eichenlaub, Weintrauben und Nussenkranz wird das Fruchtbarkeitssymbol aufgeputzt. Höhepunkt der dörflichen Lustbarkeiten sind dann die ersten Gstanzl, die am Vortag des eigentlichen Fests mit musikalischer Begleitung ausprobiert werden. Dabei werden Hüatamutter und Hüatavater festlich begrüßt und kleine Fehltritte der Perchtoldsdorfer besungen. Der Sonntag bringt dann, in Erinnerung an den heiligen Leonhard und den legendären Weinhüter Thomas, das eigentliche Fest. Hauptperson ist dabei der Pritschntrager, der mit Kraft, Geschick und Ausdauer die schwere Pritsche tänzerisch auf dem Weg zur Kirche dreht und balanciert. Nach der feierlichen Erntedankmesse verbindet der Weinhütermarsch die gläubige Pfarrgemeinschaft mit den Tausenden Zuschauern und Zaungästen, die Geistlichkeit wird mit einem Gabenkorb überrascht, der Pritschntrager, der sich während der Messe wieder erholt hat, erweist dem Publikum Reverenz, die Kredenzmadln schenken den Freiwein aus und in Anspielung auf Politik, Gemeinde und Ortsbewohner geben die Hüatabuam ihre Gstanzln zum Besten. Hüatavater und Pritschntrager sind stolz und hoch geehrt, und bevor zu einer ausgiebigen Stärkung eingeladen wird, gibt es den Schlusstanz zu Ehren der Hüatamutter. "Hüatabuam, riegelts eich und seids nit fad, wer woaß, wer aufs Jahr zu Leonhardi no draht!"
■ SN-Info: Der einzigartige Brauch des Perchtoldsdorfer Weinhütereinzugs steht im Mittelpunkt des wöchentlichen "Hoagascht" bei Servus TV (Freitag, 19.45 Uhr, Samstag, 15.05 Uhr).