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An Uncle Sam hängen, zu Uncle Sam drängen alle

Die europäische Unsitte, den USA die Aufgabe zu überlassen, die freie Welt gegen die verschiedensten Bedrohungen zu verteidigen, ist nichts anderes als eine schäbige Schmarotzerei.

Ronald Barazon

Dann auch noch den USA das wesentlich aus dieser Rolle resultierende Budgetdefizit vorzuwerfen ist schlichtweg frivol.

Derzeit erhält die Schlemihliade Europas eine neue Dimension. Der frühere US-Präsident Bill Clinton, ein Mitglied der Demokratischen Partei wie Barack Obama, bereiste kürzlich Griechenland und hatte für das geplagte Land eine diametral andere Botschaft als die EU parat: Allen Problemen zum Trotz müsse man optimistisch in die Zukunft schauen, Lösungen finden und die USA werden dem Land in der schwierigen Situation beistehen.

Wenige Tage später sicherte der amtierende US-Präsident Barack Obama Spanien ebenfalls die Unterstützung der USA bei der Bewältigung der aktuellen Krise zu.

Die beiden Länder brauchen vor allem eine Perspektive, Zuversicht, dass eine Besserung der Lage in Sicht ist. Diese erhalten sie nun aus den USA, während sie in Europa nur gescholten und getadelt werden.

Die US-Außenministerin Hillary Clinton hat vor Kurzem ein entscheidendes Problem thematisiert: China investiert Milliarden in Afrika, sichert sich auf diese Weise die gigantischen Rohstoffe des Kontinents und macht die Regierungen der Länder abhängig. Das Signal, dass die anderen Länder nicht tatenlos zusehen dürfen, kam aus Washington, nicht aus Brüssel.

In diesen Sommertagen erwies sich die Schwäche Europas auch im Finanzbereich, wobei nicht überschätzte Einstufungen von Ratingagenturen und das Gezerre um den Eurokurs für die übliche Schmierenkomödie sorgten. Dieses Mal wurde es ernst: Die großen Konzerne flüchten aus dem Euro und wechseln zum Dollar. Besonders peinlich dabei der Umstand, dass Shell, einer der größten europäischen Konzerne, als Vorreiter agiert.

Um das Maß der Verlegenheit voll zu machen, zeigen auch die aktuellen Wirtschaftsdaten, dass der Kontinent erneut in den Würgegriff der Rezession geraten ist. Die Realität straft die Illusion der EU-Politiker Lügen, dass man mit unüberlegten Rundumschlägen Probleme lösen könne.

Als bedrohlich erweist sich der Umstand, dass auch Deutschlands Wirtschaft kaum noch wächst. Und gerade die vermeintlich unerschütterliche Potenz der deutschen Wirtschaft sollte die Unart der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, ganz Europa zu schulmeistern, mit der nötigen Legitimation ausstatten.

Der Kreis schließt sich. Obwohl der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble im Urlaub nur Krimis lesen wollte, empfing er seinen US-Kollegen Tim Geithner und hörte sich dessen Appell zu einer gemeinsamen Initiative zur Belebung der Weltwirtschaft an. Ob Geithner mehr Interesse fand als die Krimis, wird sich im Herbst zeigen.