Die Verwirrung ist total. Normalerweise - allerdings stellt sich die Frage nach der Definition von normal, müsste man Spott und Hohn über die Architekten der neuesten Reform des Gesundheitswesens gießen. Aber normalerweise ist schon lang nicht mehr normalerweise.
Da diskutieren die Spitzen jener Organisationen, die das Gesundheitswesen finanzieren, ein Jahr lang, um festzustellen, dass die Spitäler, Arztpraxen und Labors zu koordinieren wären. Damit nicht genug, sie erkennen auch, dass sie selbst diese Koordination behindern: Die Krankenkassen sehen die Patienten lieber im Spital, weil dies die Länder trifft, und die Länder schieben die nämlichen lieber in die Praxen, weil dort die Krankenkassen zahlen. Diese absurde Konstellation wurde schon unzählige Male analysiert, kommentiert und kritisiert, sodass man annehmen konnte, diese Einsicht sei Allgemeingut.
Warum soll man also den Umstand, dass diese Groteske von den Verursachern nun öffentlich bestätigt wird, als Meilenstein in der Gesundheitspolitik feiern, wie man es zu oft in den letzten Tagen hörte? Warum soll man den Spott unterlassen, die Häme vergessen?
Es gibt tatsächlich einen Grund: Sie haben es zwar alle immer gewusst, aber nichts getan, um diesen Unfug abzustellen. Jeder Machthaber baute seine Institution zu einer Festung aus, die er mit Zähnen und Klauen verteidigte. Und verhinderte so jede Korrektur. Wurde eine Institution wegen dieser Umstände kritisiert, so verkündete deren Obmann oder Obfrau lautstark, dass man sofort zu Änderungen bereit wäre, sich aber leider die anderen stur nicht bewegen wollen. Und umgekehrt.
Und jetzt? Diese Woche? Ja, sie haben es zugegeben! Und sie wollen es ändern! Mehr noch: Wer nicht änderungswillig ist, wird schlichtweg geächtet!
Wie sie das tun wollen, ist nicht klar, darüber wird weiter diskutiert, doch das sollte das staunende Publikum nicht stören. Jetzt gilt es Applaus für die neuen Kleider der Gesundheitskaiser zu spenden. Wer behauptet, dass die Herr- und Damenschaften nackt sind, irrt. Punktum.
Die Tatsache, dass die Gesundheitsfürsten ihre Festungen verlassen haben und sich zu einer Art Rütli-Schwur entschlossen haben, muss man zudem aus historischer Perspektive sehen: Schließlich beruht der Erfolg der Eidgenossenschaft bis heute auf diesem Schwur. Kleinliche Historiker, die von einer dubiosen Legende sprechen, den Text als Fälschung brandmarken, werden in der Schweiz einfach nicht gehört.
Vollends zufrieden müssen die Angehörigen der schreibenden Zunft sein, ebenjene, die seit Jahren in wirkungslosen Kommentaren den geschilderten Unfug gescholten haben: Letztlich siegt vielleicht doch das Wort, diesmal nicht über das Schwert, aber über die Mauern, zwischen denen die österreichischen Patienten seit Jahren hin- und hergejagt werden.
