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Auch Zinsen eignen sich nicht als Wundermittel

Die Mächtigen der Welt veranstalten mit großem Eifer sogenannte Gipfel, bei denen sie vermeintlich die Weichen für die Lösung der Probleme stellen.

Ronald Barazon

Bei diesen Inszenierungen wird auch über die aktuell schlechte Wirtschaftslage und die erschreckend hohe Arbeitslosigkeit gebrütet.

Nun hat wieder die Höhe der Zinsen die Aufmerksamkeit der Schlachtenlenker erregt, und prompt wurde nach einer Zinssenkung gerufen, damit über billige Kredite die Wirtschaft angekurbelt werde. Die Refinanzierung bei der Europäischen Zentralbank kostet allerdings schon jetzt nur mehr 0,5 Prozent und trotzdem springt der Wirtschaftsmotor nicht an. Wie man 0,5 Prozent wirksam senken soll, ist ein Rätsel.

Nun wurde die Idee geboren, Banken, die Geld bei der Zentralbank liegen lassen, mit Strafzinsen zu belegen, um sie auf diese Art zur Vergabe von Krediten zu zwingen. Allerdings ist nur von Geld die Rede, das sich die Banken zuerst von der EZB ausgeborgt haben und es dann wieder deponieren. Wer nichts mehr borgt, kann nicht bestraft werden.

Derzeit müssten die Wirtschaftspolitiker und Notenbanker erkennen, dass niedrige Zinsen nicht die gewünschte Belebung bringen. Sie vertreiben allerdings die Sparer und Anleger. In anderen Phasen kämpfen die Hüter des Geldes mit extrem hohen Zinsen gegen eine überschäumende Konjunktur und wollen auch dann nicht zur Kenntnis nehmen, dass hohe Zinsen großen Schaden anrichten und wenig Nutzen bringen: Die Kreditnehmer leiden und die Anleger freuen sich.

Zinsen sind einfach kein Wundermittel, die Konjunktur wird durch andere Faktoren weit stärker bestimmt - wieder einmal die peinliche Einsicht, dass es keine Wunder gibt.

Zinsen werden nicht nur von der Zentralbank gesteuert, sondern bilden sich auf dem Markt im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Diesem Umstand sollen der Libor und der Euribor Rechnung tragen, die mehr noch als der Leitsatz der Zentralbank die bestimmende Orientierungsgröße für die Kosten der Kredite bilden.

Diese eigenartigen Gebilde sagen aus, zu welchem Zinssatz die Banken in London (Libor) und im Euromarkt (Euribor) einander Geld borgen. Und nachdem Banken die ersten Adressaten für Geld sind, müsste doch dieser Satz stimmen. Der Beherrscher ist der Libor, von dem man mittlerweile weiß, dass er nach Kräften manipuliert wurde.

Statt sich von diesem Fetisch und seinem Trabanten zu verabschieden und die Entscheidung tatsächlich dem Markt zu überlassen, will die EU-Kommission das Entstehen der Libor-Zinssätze nun streng durch eine in Paris und ja nicht in London angesiedelte Behörde überwachen.

Wie so oft glaubt man in Brüssel nicht an den Markt, sondern an die Wunderkräfte von Aufsichtsbeamten, die sich immer wieder als Schimäre erweisen. Eine Verhöhnung aller EU-Bekenntnisse zum freien Markt.