SN.AT / Kolumne / Barazon / Barazon

Das Paradies der Taschendiebe und Panzerknacker

Wenn in diesen Tagen nicht nur zyprische Sparer ihr Geld von der Bank holen, um es vor dem Zugriff der außer Rand und Band geratenen EU-Politiker zu retten, dann werden sie nicht allein sein.

Ronald Barazon

Taschendiebe sind erfahrungsgemäß immer gut im Ausbaldowern günstiger Gelegenheiten. Derzeit müssen sie sich nicht plagen: In den Nachrichten erfahren sie täglich, dass die Sparer aus den Banken vertrieben werden.

Den Sparern wurde mitgeteilt, dass die Garantie aller Einlagen unter 100.000 Euro keineswegs so sicher ist, wie dies immer wieder behauptet wurde: In Zypern war der Griff nach den kleinen Einlagen schon beschlossen und konnte nur mithilfe eines europaweiten Protests abgewendet werden.

Gut organisierte Banden haben Spezialisten für alle Zwecke und so bilden die Taschendiebe gleichsam die Infanterie, die nur die ersten Früchte der EU-Finanzpolitik ernten. Eifrig arbeiten bereits die Panzerknacker an der Verbesserung ihrer Ausrüstung und der Schulung von Nachwuchskräften. Denn auch diese Gruppe hat bald wieder Saison.

Einleger, die mehr als 100.000 Euro auf dem Konto haben, gelten jedenfalls ohne Einschränkung als Freiwild.

Die Betroffenen werden aber kaum untätig warten, bis irgendwo eine Krise ausbricht und das Geld in einer Sanierungsaktion verschwindet. Die Unternehmen errichten Tresore, in denen das Geld gehortet wird, das man für die Zahlung der Löhne, der Lieferungen und der sonstigen Verpflichtungen braucht. Die Millionäre stemmen Safes in die dickeren Mauern ihrer Villen.

Und die Panzerknacker testen hoffnungsfroh grinsend die Qualität der Handschuhe, die ihre Fingerabdrücke verhehlen sollen, ohne die Geschmeidigkeit der Finger zu beeinträchtigen.

Sie sind allerdings nicht allein in ihrer Freude. Eine unerwartete Hochkonjunktur verzeichnen die Fabrikanten von großen und kleinen Tresoren. Die Leib- und Hauswächter bestellen bereits neue, aufwendig gepanzerte Fahrzeuge im Vorausblick auf die zu erwartenden fetten Honorare.

Die siebzehn Finanzminister der Eurozone begnügten sich nicht damit, einstimmig zuerst den Griff auf alle Einlagen und nach den Protesten "nur" die Kürzung der großen Einlagen zu beschließen. Ihr Sprecher, ein Agrarexperte, der vor vier Monaten Finanzminister wurde, verkündete lauthals, dass man nun bei allen Krisen die Einleger schröpfen werde.

Die Proteste und Schwüre, dass davon nicht die Rede sein könne und der Raubzug sich auf den Sonderfall Zypern beschränken werde, vermochten die besorgten Bürger nicht zu beruhigen. Nicht verwunderlich, wenn die deutsche Kanzlerin, eine Physikerin, der Meinung ist, dass durch die Konfiskation von Einlagen in Zypern jene büßen, die die Krise verschuldet hätten.

Dass die Banken mit den Einlagen, die sie nicht bekommen, keine Kredite finanzieren können, sei nur am Rande, gleichsam nebenbei, vermerkt.