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Der harte Weg von "eins und eins" zu "wenn-dann"

Ronald Barazon


Obwohl ständig beklagt wird, dass die Grundrechenarten wenig bekannt sind, so ist doch zumindest die Addition recht verbreitet. Dies zeigt sich in diesen Tagen, da die tapferen, aber erfolglosen Wahlkämpfer an der Bildung einer Regierung werken. Im Mittelpunkt steht der Kassensturz, also die Feststellung, dass die Staatskasse leer ist. Alle wissen, dass eins und eins zwei ist und null und null nur null ergibt, und so ist Sparen angesagt, bekanntlich eine Umschreibung für noch höhere Steuern.

Eine schmerzhafte Wissenslücke ist aber sehr wohl zu beklagen: Der Umgang mit dem kostbaren Wortpaar "wenn-dann" wird kaum gepflegt. Konzentriert man die Aufmerksamkeit weniger auf den Umstand, dass die Staatskasse leer ist, und interessiert sich für die funktionell so wunderbar miteinander verbundenen Wörtchen "wenn" und "dann", so eröffnet sich eine unendlich große Welt von Möglichkeiten.

Das könnte schon bei der reflexartigen Reaktion auf den öffentlichen Geldmangel beginnen, die in der Schröpfung der Unternehmen und Bürger besteht. "Wenn den Unternehmen und Bürgern mehr Geld bleibt, dann könnten sie mehr investieren und konsumieren." "Wenn sie das tun, dann bekommt auch der Staat höhere Steuern." Aber dies ist nur ein Beispiel von vielen.

Zu fragen ist, wieso den Politikern seit Jahren nichts anderes einfällt als Nulldefiziten nachzujagen, die nie erreicht werden, Einsparungen vorzunehmen, die nicht wirken, und ähnliche Schimären zu pflegen.

In diesem Zusammenhang wird gern die Vergangenheit verherrlicht, in der doch alles besser war. Kannte man früher die Wirkung von "wenn-dann" und ist diese Weisheit verloren gegangen?

Das funktionelle Zusammenspiel zweier miteinander kommunizieren-der Faktoren war auch früher nicht bewusst. Es gab aber in der Vergangenheit ein "wenn-dann" und es findet auch heute ein "wenn-dann statt, allerdings in einer sonderbaren Ausprägung.

Früher, damit ist die Zeit des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg gemeint, die Zeit der großen Erfolge, die heute fehlen. Das "wenn-dann" ließ sich damals in folgender Weise formulieren: "Wenn nichts geschieht, dann bedeutet dies den Untergang!" Oder "Wenn ich nichts schaffe, dann erreiche ich nie einen angenehmen Lebensstandard!" Oder "Wenn der Staat nicht funktioniert, dann können auch Unternehmer und Bürger nicht erfolgreich sein!"

Wie hört sich das "wenn-dann"-Paar heute an? "Wenn eine Reform durchgeführt wird, dann sind viele verärgert!" Oder "Wenn ich etwas ändere, dann könnte es mir schlechter gehen!" Oder "Wenn ich einen Fehler mache, dann könnte es mir schaden!"

Beide Varianten beruhen nicht auf bewussten Überlegungen, sondern sind Reaktionen, früher auf den Mangel und jetzt auf den Überfluss. Jetzt wäre die bewusste, vernunftbestimmte Einsicht am Platz: "Wenn wir so weitermachen, dann fallen wir in den Mangel zurück."