Der Neid hat Hochsaison. Diese Feststellung ist leider von zeitloser Hässlichkeit, es gibt kaum eine stärker bestimmende Kraft als den Neid. Dass der Neid aber eine nähere Betrachtung verdient, ergibt sich aus dem aktuellen Eifer, alle Bezieher höherer Einkommen an den Pranger zu stellen. Mehr noch: aus dem Bemühen, diese Einkommen zu kürzen.
Betrieben wird die Aktion vor allem von Politikern, die offenkundig meinen, damit die Masse der weniger Verdienenden zu erfreuen. Es wäre, so lautet die Überlegung, für Ärmere eine Befriedigung, würde man die Reichen schröpfen. Dass dieses Spiel mit dem Neid den Politikern nützt, ist bei näherer Betrachtung zu bezweifeln.
Bei einem Verdienst zwischen 800 und 2500 Euro im Monat gilt das vorrangige Interesse der Kunst, auch mit wenig Geld ein gutes Leben zu führen. Und verbunden mit dieser praktischen Einstellung ist der auch sehr praktische Wunsch, ein paar Hundert Euro mehr zur Verfügung zu haben.
Die Spitzeneinkommen werden gemeinhin eher als Phänomene einer fremden Welt empfunden, der man nicht angehört und meist auch nicht angehören will. Auch glaubt niemand, dass eine Kürzung der Spitzenbezüge den eigenen Lohn auch nur um einen einzigen Euro steigen lässt.
Somit sei die Behauptung gewagt, dass die meisten Menschen mit der Jagd auf die Reichen nichts anzufangen wissen. Wen also bewegt der Neid tatsächlich? Eine interessante Beobachtung zeigt, dass der Eigentümer eines Vermögens von vielen Millionen Euro in der Regel keine Freude über seinen Reichtum empfindet, weil es bekanntlich immer andere gibt, die noch viel, viel mehr haben. Dieser entlarvende Charakterzug ist recht bekannt.
Weniger bekannt ist aber die fast unerträgliche Qual, die die sogenannten besser Verdienenden angesichts der noch besser Verdienenden leiden. Wie soll man eines Monatseinkommens von 8000 Euro netto froh werden, wenn der Kollege 9000 hat. Auch 12.000 machen nicht glücklich, wenn die Nachbarin 15.000 genießt.
Genau in dieser Einkommenswelt bewegen sich aber die Politiker und fühlen sich als die Spitzen der Gesellschaft, die folglich auch Spitzenverdienste beziehen müssten. Nebenbei bemerkt: Tatsächlich sind viele Politikergehälter zu niedrig und dieser Umstand hält viele Persönlichkeiten von der Politik fern. Diesen Mangel kann man aber nur bekämpfen, wenn man die Arbeit für den Staat und die Gesellschaft nicht ständig infrage stellt, sondern als unverzichtbare Leistung angemessen honoriert.
Am Neid würde das allerdings wenig ändern, da auch bei einer höheren Bezahlung immer noch viele sehr viel reicher wären. Wie bei den Millionären ist bei Ministern, Generaldirektoren und ähnlich notleidenden Menschen der Neid nicht auszurotten.
Sie beneiden sogar die Armen, die nicht neidig sind.