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Zurück zur Dorfschule des 19. Jahrhunderts!

Ronald Barazon

Im Zuge der empörenden Hetzjagd auf die Lehrer gehen die ebenso empörenden Details des neuen Lehrerdienstrechts unter. Die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ setzen ein Konzept um, das im 19. Jahrhundert in den Dörfern üblich war: Der Herr Lehrer als universelle Autorität brachte den Kindern alles bei, was sie so zum Leben brauchten. Das war nicht viel und störte vor allem nicht bei der Hilfe auf dem Feld.

Einen Restbestand dieser üblen Praxis gibt es bis heute in den Volks- und Hauptschulen: In den Pflichtschulen müssen alle Lehrer alles unterrichten. Dass das Niveau nicht bei der alten Dorfschule liegt, ist dem bewundernswerten Einsatz der Unterrichtenden zu danken. Eine Bildungspolitik, die man ernst nehmen kann, würde allerdings dafür sorgen, dass nur Fachleute die einzelnen Fächer betreuen.

Das geschieht nicht. Stattdessen wird der haarsträubende Unfug nun auch in der Unterstufe der AHS eingeführt. Das neue Lehrerdienstrecht zwingt alle Lehrer in diesem Bereich, alles zu unterrichten.

Welch enorme Fortschritte die Kinder wohl verzeichnen werden, wenn der Herr Deutschlehrer oder die Frau Fanzösischlehrerin Mathematik unterrichten. Oder ein Physiker versucht, englische Grammatik zu erläutern.

So sieht eine Bildungspolitik aus,
die von einer Verbesserung des Niveaus faselt und vorgibt, die Zukunft des Landes durch hervorragende Kenntnisse seiner Bürger sichern zu wollen.

Die Volksschule verlassen zu viele Kinder, ohne lesen, schreiben und rechnen zu können. Aber es geschieht nichts, um dieses Grundübel zu beseitigen. Die Hauptschulen im ländlichen Raum haben sich wacker geschlagen, aber man muss sie unbedingt in Neue Mittelschulen umwandeln, ohne ihnen aber das Personal zur Verfügung zu stellen, das sie für die neuen Bedingungen brauchen. Die Hauptschulen in Wien sind in der Krise und man schwätzt von einer Gesamtschule, die die Hauptschulen mit der funktionierenden Unterstufe der AHS fusionieren soll, um diese auch zu ruinieren.

Um sicherzugehen, dass diese Übeltat gelingt, vernichtet man vorsorglich per Gesetz das Niveau des Unterrichts in der Unterstufe der Gymnasien.

Nur die Oberstufe der Gymnasien und der BHS soll erhalten bleiben. Dort werde es weiterhin nur Fachkräfte als Lehrer geben, dort kommt das Niveau zum Tragen, das allen Kindern offenstehen sollte. Unter den Bedingungen, die nun alle bis zum 15. Lebensjahr erfahren müssen, werden nur wenige die Aufnahme in dieses Paradies schaffen.

Die Diskussion hat begonnen, weil man möglichst allen Kindern die besten Chancen für einen optimalen Bildungsweg eröffnen wollte. Jetzt verbaut man allen Kindern diese Möglichkeiten und nur wenige werden unbeschädigt durch diesen Sumpf kommen, weil sie genial und hartnäckig sind oder weil sie reiche Eltern haben, die ihnen den Zugang zur Bildung kaufen können.