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Die Sparmeister geben auf und wissen nicht weiter

Ronald Barazon


Die Mehrheit der im ECOFIN-Rat vereinigten Finanzminister der EU-Mitgliedsstaaten hat vor Kurzem entnervt die Bekämpfung der Defizite aufgegeben. Angesichts der in der Union insgesamt schrumpfenden Wirtschaft könne der Sparkurs nicht beibehalten werden. Man müsse Defizite zur Kenntnis nehmen, die die magische Drei-Prozent-Marke überschreiten.

Und jetzt? Die Kritiker der bisherigen Wirtschaftspolitik mögen sich freuen, dass der Sparkurs in die Sackgasse geführt hat, doch löst die Freude ebenso keine Probleme wie die Kümmernis der enttäuschten Sparmeister. Am Freitag haben die Regierungschefs beim EU-Gipfel eingestehen müssen, dass sie kein Rezept gegen die Krise haben.

In der schrumpfenden Wirtschaft sinkt das Steueraufkommen und die öffentlichen Haushalte müssen die Arbeitslosen unterstützen. Der Doppeleffekt bewirkt noch höhere Defizite.

Den einzigen Ausweg aus der Zwickmühle weist ein verstärktes Wachstum. Mehr Wachstum bedeutet mehr Investitionen, mehr Umsatz, mehr Beschäftigte, folglich auch höhere Steuern, also geringere Defizite.

Um eine Wachstumspolitik zu betreiben, braucht man viel Geld, das die Staaten nicht haben und daher nur über zusätzliche Schulden auftreiben könnten. Nun sind die Sparmeister aber in dem Schuldenbekämpfungseifer gefangen und verurteilen hartnäckig ein Wachstum auf Pump. Das ist zwar ökonomischer Unsinn, aber populär.

Man übersieht: Jeder Kredit, der eine Investition finanziert, jedes Darlehen, das für eine Wohnung aufgenommen wird, bedeutet Wachstum auf Pump. Jede vom Staat direkt vorgenommene oder geförderte Investition löst Steuern aus, die die Staatskasse füllen.

Allerdings ist die Finanzierung einer Wachstumspolitik tatsächlich derzeit problematisch. In der Sparpolitik, die in Wahrheit nur eine Steuererhöhungspolitik war und ist, wurden die Staaten nicht saniert. Die zum großen Teil sinnlosen Ausgaben sind enorm hoch und behindern den Einsatz der Mittel zur Belebung der Wirtschaft. Nun rächt sich der europäische Reformstau.

Womit Europa in einem Teufelskreis gefangen ist. Die schrumpfende Wirtschaft lässt die Staatsdefizite ansteigen. Weil aber die Staatsfinanzen in einem erbärmlichen Zustand sind, wird kein Geld eingesetzt, um das dringend notwendige Wachstum zu fördern. Womit man beide Nachteile hat, wachsende Staatsschulden und eine schrumpfende Wirtschaft.

Helfen würden ein Befreiungsschlag, das aktive Angehen der Reformen, die Umsetzung einer mutigen Wachstumspolitik, die Einsicht, dass die Kombination von Reformen und Wachstum billiger ist als die Finanzierung von Arbeitslosigkeit und Bankpleiten.

Die EU kann sich zu diesem Kraftakt aber nicht durchringen. Und Deutschland schwingt unbeirrt den Sparflegel, der auch schon die deutsche Wirtschaft in die Stagnation gedroschen hat.