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Die wundersame Wirkung der unsichtbaren Hand des Marktes

Der aktuelle Ölpreis von 50 Dollar je Fass hat eine teuflische Eigenschaft: Benzin und Diesel sind billiger als Strom.

Ronald Barazon

Glaubt man den weisen Ökonomen von Adam Smith bis Paul A. Samuelson, dann regelt eine unbekannte, unsichtbare Hand das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage zum Vorteil aller. Voraussetzung ist, dass der Markt keinen Beschränkungen unterworfen ist.

Also sollte dieses geheimnisvolle Naturgesetz auch für das Rohöl gelten. Erstaunlich ist, dass der freie Markt stets einen Preis produziert, der der Ölwirtschaft nützt und den Konkurrenten existenzielle Nöte beschert.

Die wundersame Preisbildung begann in den Vierzigerjahren des vorigen Jahrhunderts. Rohöl wurde zu niedrigsten Preisen verkauft. Und das über Jahre. Ganz zufällig so lange, bis die damals bestimmende Vorherrschaft der Kohle beseitigt war. Dieses zwanzig Jahre dauernde Phänomen endete um das Jahr 1970.

Damals kam es zu einem vermeintlich spektakulären, die Märkte erschütternden Anstieg der Preise auf zwei Dollar je Fass. Man sprach von einer Energiekrise und ahnte nicht, welche spektakulären Preiserhöhungen noch kommen sollten. Die arabischen Staaten nützten den erfolglosen Jom-Kippur-Krieg gegen Israel im Oktober 1973 als Anlass, um die Preisschraube in der Folge vollends anzuziehen.

Noch in den Siebzigerjahren stieg der Fasspreis zuerst auf sechs Dollar, später weiter über 20 Dollar. In den folgenden vierzig Jahren kam es zu großen Preisschwankungen bis hinauf auf 140 Dollar. Zeigten sich Alternativen, so sorgte die unsichtbare Hand verblüffenderweise rasch für einen Preisverfall, der die Konkurrenten aus dem Markt jagte.

Erst die Klimakonferenz in Paris Ende 2015 löste Unruhe aus: Die Staaten beschlossen, Benzin- und Dieselautos von den Straßen zu vertreiben und nur mehr Elektroautos zu erlauben. Der Ölpreis stürzte bis Feber 2016 auf etwa 30 Dollar, über allen Ölländern, von Russland bis Saudi-Arabien, kreiste der Pleitegeier.

Mittlerweile hat sich der Ölpreis bei 50 Dollar stabilisiert, die Lieferanten sind zwar weniger reich als bei 140 Dollar je Fass, kommen aber halbwegs auf ihre Rechnung. Ein Ölpreis von 50 Dollar je Fass löst vor allem eine bemerkenswerte Kalkulation aus:

Wenn die E-Autos dominieren, werden die Staaten die Förderungen einstellen und die gleichen Steuern kassieren, wie dies derzeit bei Benzin- und Dieselfahrzeugen der Fall ist.

Unter diesen Umständen ergibt sich aber bei einem Rohölpreis von 50 Dollar ganz zufällig, dass das Fahren mit Benzin oder Diesel billiger ist als mit Strom. Es ist erstaunlich, wie die unsichtbare Hand wieder einmal der Ölwirtschaft hilft, einen Konkurrenten zu bekämpfen.

Doch diesmal, so sind alle überzeugt, wird das nichts nützen. Das Ende der Ölherrschaft ist gekommen. Oder doch nicht?