Die Abweisung der Flüchtlinge zielt auf den Schutz der eigenen Behaglichkeit ab. Dass eine Bevölkerung von über 500 Millionen - das ist die Zahl der EU-Bürger - bei einigen Hunderttausend oder auch bei einer Million Zuwanderern in Panik gerät, ist mit Logik nicht nachvollziehbar. Selbst fünf Millionen würden nur einen Zuwachs um ein Prozent bedeuten. Es geht aber tatsächlich nicht um Logik oder um Prozente. Man will das Unglück nicht sehen, die Heimatlosen stören das Wohlgefühl.
Nun kann man die Psychologie bemühen, über Xenophobie meditieren und betonen, dass Europa doch nicht schuld sei an dem Chaos im Nahen Osten. Doch so weit muss man nicht gehen, um die Flüchtlingspolitik zu verstehen. In Europa leben 120 Millionen unter der Armutsgrenze, das sind mehr als 23 Prozent der Bevölkerung, und dieser Umstand ist kein großes Thema. Es genügt ein Abendspaziergang durch ein Stadtzentrum mit einigen Tausend - mehr sind es nicht -, die sich in Gastgärten blendend unterhalten, und schon scheint bewiesen, dass doch alles prächtig laufe. Man schaut bei den eigenen Nachbarn weg, da will man Flüchtlinge schon gar nicht sehen.
Die Willkommenskultur ist am Management gescheitert. Zigtausende Menschen aufzunehmen, ohne sie zu registrieren, ohne rasch zu klären, wie man sie unterbringen soll und was weiter mit ihnen zu geschehen hat, ohne zu achten, ob in dem Strom nicht Verbrecher mitschwimmen, das ist schlichtweg Unfähigkeit. Jetzt haben es die Ausländerfeinde immer schon gewusst und die Träumer von gestern sehen heute ungerührt zu, wie Flüchtlinge ertrinken oder erfrieren.
Die EU, die ununterbrochen zahllose Richtlinien und Verordnungen produziert, um vermeintlich die Verwaltung der Gemeinschaft zu verbessern, ist nicht in der Lage, eine heikle Situation zu meistern. Am Versagen in der Flüchtlingskrise zeigt sich, dass die Brüsseler Regulierungswut nur lästiger Aktionismus ist.
Was macht einen Menschen zum Flüchtling? Die Hoffnung auf ein besseres Leben, die Hoffnung auf eine schöne Zukunft. Das erwarten die Flüchtlinge von der Auswanderung nach Europa. Aber Europa ist nicht auf dem Weg in die Zukunft. Europa verwaltet vor allem die Vergangenheit und pflegt die Illusion eines immerwährenden Wohlstands.
Viele junge, dynamische Unternehmer und Forscher wandern in die USA aus oder versuchen ihr Glück in China. 25 Millionen sind arbeitslos, weil nur wenig Neues entsteht und das Alte stirbt oder von Automaten übernommen wird. Wie soll ein derart müder Kontinent Hunderttausende aufnehmen, die die Zukunft gewinnen wollen? Die Flüchtlingspolitik ist der Spiegel der europäischen Lähmung.
