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In Brüssel haben nicht nur die Dschihadisten gemordet

Kriege und Terroranschläge sind teuer. Maßnahmen, die den Geldfluss zum "Islamischen Staat" (IS) bremsen, finden kaum statt.

Ronald Barazon

Die natürlichen Reaktionen auf den Massenmord in Brüssel sind Wut und der Griff nach der Waffe. Da Mörder nur die Sprache der Gewalt verstehen, sind diese Reaktionen auch angemessen. Die Verstärkung der Militäraktionen gegen den sogenannten "Islamischen Staat" ist daher eine logische Konsequenz.

Wie schon bisher werden die Bomben das Problem nicht lösen.

Die Attentate in Paris und Brüssel haben gezeigt, dass der IS bereits weltweit verteilt Mörder in Bereitschaft hält, die jederzeit zuschlagen können. Diese Zellen aufzuspüren ist Sache der Polizei, die auch vor wenigen Tagen einen der Attentäter von Paris dingfest gemacht hat. Diese Zellen lahmzulegen ist in erster Linie eine wirtschaftliche Herausforderung.

Attentäter müssen finanziert werden. Genauso wie die in Syrien und im Irak eingesetzten Waffen. Genauso wie die Ausrüstung und Besoldung der Kämpfer im Nahen Osten. Hierfür sind gigantische Summen erforderlich. Erst wenn die Einnahmen des IS versiegen, wird auch der Terror aufhören.

Nur zögerlich und nur beschränkt wirksam werden die vom IS eroberten Ölfelder, Raffinerien und Lager bombardiert. Der Export des Öls funktioniert nach wie vor. Der Preisverfall belastet auch den IS, der prompt den Sold der Kämpfer gekürzt hat, doch für den Kauf von Waffen reicht es allemal. Und die Waffenhändler warten immer auf Aufträge.

Der IS hat nicht nur Feinde. Der neue "Staat" fordert die aktuellen Staaten heraus. In allen Ländern der Region warten aber, wie überall, Gegner der Machthaber auf ihre Stunde. Die Unterstützung des IS kann den Sturz so mancher Regierung beschleunigen.

In den wechselnden Allianzen helfen auch Staaten gelegentlich dem IS in der Hoffnung auf politische Vorteile. Drei Mächte streben die Beherrschung der gesamten Region an - die Türkei, Saudi-Arabien und der Iran. Die Regime in diesen drei Staaten fürchten einerseits einen Sieg des IS, scheuen aber auch nicht vor einer Partnerschaft mit dem IS zurück, wenn sich dadurch Machtgewinne erzielen lassen.

Konsequenterweise müsste daher der Westen vor allem bei diesen drei Staaten Zurückhaltung üben. Nur: Die Türkei erhält soeben Milliarden von der EU für die Aufnahme von Flüchtlingen, Saudi-Arabien ist der Langzeitpartner der USA in der Region, der Iran wird nach Beendigung der Sanktionen hofiert.

Geschonte Ölquellen, eifrige Waffenhändler, also Vertreter von Fabriken, die entweder direkt im Staatsbesitz sind oder von Staaten kontrolliert werden, Pakte des Westens mit "alten" Staaten, die sich nicht wesentlich vom "neuen" IS unterscheiden, sind die Sprengsätze, die Dienstag in Brüssel mitexplodiert sind.