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Integration - ein ziemlich unsinniges Zauberwort

Ausländer mögen sich in die österreichische Gesellschaft integrieren. Wo findet man diese "Gesellschaft"?

Ronald Barazon

Integration wurde zur Zauberformel hochstilisiert. Alle Probleme, die mit Gastarbeitern oder Flüchtlingen oder sonstigen Zuwanderern auftreten, wären leicht zu lösen - würden sich die Ausländer nur integrieren.

Die Definition dieses Worts fehlt, aber man kann vermuten, dass die Ausländer sich den Österreichern anpassen sollen. Oder noch besser, schließlich ist von In-tegration die Rede, zu Österreichern mutieren mögen. Offenbar wird erwartet, dass sie dann nicht auffallen und daher kein Problem mehr darstellen.

Womit sich die Frage nach der Definition der "Österreicher" stellt. Wer von Integration der Ausländer spricht, geht wohl von der Meinung aus, dass die Österreicher eine homogene Gesellschaft darstellen. Dass jeder Österreicher und jede Österreicherin ihre Identität als Angehörige dieser Spezies definieren können.

Es bedarf keiner besonderen Beobachtungsgabe, um festzustellen, dass davon nicht die Rede sein kann. Kaum eine Gruppe von Österreichern hegt eine besondere Sympathie für eine andere Gruppe. In der Politik müsste man angesichts des Umgangs der Schwarzen mit den Roten und umgekehrt nach einem "Inte grationsbeauftragten" rufen. Hört man so manchem Einwohner eines Bundeslandes zu, wenn er über Wiener spricht, würde man nicht vermuten, dass die beiden derselben Gattung angehören, in die sich andere integrieren sollen.

Auch Nachbarn in einer Reihenhaussiedlung, Familienangehörige, Angestellte einer Firma oder Mitglieder eines Vereins erweisen sich oft als Meister der Des-integration. Die Liste lässt sich fortsetzen. Bei dieser umfassenden Dis-harmonie ist es nicht verwunderlich, wenn die Ausländer eigene Gruppen, Vereine oder, im Jargon der soziologischen Ausländerforscher, "Communities" bilden.

Somit empfiehlt sich dringend der Abschied vom Fetisch "Integration". Hilfreicher wäre ein entkrampfter, selbstverständlicher Umgang mit diesen neuen Gruppierungen. Solange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegen, mögen sie im Kreis ihrer Vereine nach Belieben agieren. Werden allerdings die Regeln verletzt, dann muss der Staat mit der geballten Kraft von Polizei und Justiz für Ordnung sorgen. Wie
bei allen anderen Einwohnern des Landes.

Die Debatte über die Unterschiede zwischen den Kulturen, die zu überwinden sind, ist verzichtbar. Ein Mord ist ein Mord, eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung und ein Einbruch ist ein Einbruch.

Dass die einzelnen Gruppen verschiedene Lebensweisen praktizieren, sollte nicht einmal diskutiert werden. Eine Soirée in einem großbürgerlichen Haus läuft auch anders ab als ein Stammtischabend im Dorfgasthaus, und niemand will die beiden Kulturen integrieren.