Der Entschluss der gesunden Schauspielerin zu dieser Maßnahme und der nun in einem monatelangen Prozess erfolgte Eingriff hat Bewunderung für den mutigen Schritt ausgelöst.
Zu bedenken sind allerdings das Grundkonzept und die Beispielsfolgen.
Das Grundkonzept besagt, dass die Medizin nicht nur eine Reparaturstelle sein soll. Nachdem die Genetik Prognosen ermöglicht, würde sich also, wie im Falle Jolie, ein vorsorglicher Eingriff empfehlen.
Hier bricht aber die Problematik auf. Gentests weisen die Möglichkeit einer Krankheit aus und geben die Wahrscheinlichkeit des Eintretens an. Sie können aber weder eine sichere Prognose erstellen noch einen Termin bestimmen. Somit sind diese Tests eine hilfreiche Warnung, die zu besonderer Vorsicht und somit zu Untersuchungen in kurzen Abständen mahnen, um rechtzeitig eingreifen zu können.
Von vornherein das Eintreten der möglichen Krankheit anzunehmen und, wie Jolie, eine kapitale Operation vorzunehmen, bedeutet gleichsam "auf Nummer sicher zu gehen".
Mit dieser Einstellung wird allerdings das allgemein zu beobachtende extreme Sicherheitsstreben auf die Spitze getrieben. Das reicht vom übertriebenen Schutz der Kinder vor allen möglichen Gefahren über die zahllosen Vorschriften, die den Einzelnen in jeder Lebenslage umsorgen, bis hin zu nun offenbar modern werdenden "Vorsorgeoperationen".
Hier verkehrt sich allerdings Wohltat zur Plage. Vorsicht ist eine Tugend, der Versuch, alle Risken zu vermeiden, mündet aber in einer allgemeinen Erstarrung, im Ersticken alles Lebendigen. Risiko ist ein wesentlicher Bestandteil des Lebens, Risiko muss daher akzeptiert werden, Risiko kann nur durch angemessene Vorsichtsmaßnahmen in Grenzen gehalten, aber niemals gänzlich beseitigt werden.
Angelina Jolie hat mit ihrem Schritt ein Signal gesetzt, das dem so stark verbreiteten Streben nach Sicherheit einen bedenklichen Auftrieb geben muss. Die bislang in breiten Kreisen wenig beachteten Gentests erfahren nun eine globale Werbung.
Jolie vermittelt der Eindruck, man müsse nur einen Gentest machen, ein Organ gegen ein Ersatzteil tauschen und schon wäre man für alle Zeiten vor Krankheiten gefeit. Dass die Gesundheit eines Menschen keineswegs nur von den Genen bestimmt wird, sondern entscheidend auch von seiner Entwicklung und seinem Verhalten, rückt in den Hintergrund.
Zu den vielen, die durch ihre Ess- und Lebensgewohnheiten Krankheiten verursachen, die in der Folge die Medizin reparieren soll, kommen nun jene hinzu, die die Herstellung eines garantiert gesunden Körpers einfordern.
Beide müssen enttäuscht werden.