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Lehrer sollen wegen Fünfer vor Gericht

Das Unterrichtsministerium bereitet die ultimative Attacke auf das österreichische Bildungsniveau vor: Künftig sollen Lehrer Fünfer vor einem Gericht verteidigen. Dass künftig unter diesen Umständen kein Lehrer, keine Lehrerin mehr einen Fünfer geben wird, liegt auf der Hand.

Ronald Barazon

Das Unterrichtsministerium befindet sich am Minoritenplatz, einem idyllischen und außerordentlich ruhigen Fleckchen in der Wiener Innenstadt, also gut abgeschirmt von den Mühen des Alltags einer Schule.

Zu diesen heiligen Hallen ist auch offenbar nie die Nachricht durchgedrungen, dass schon das jetzt bestehende Recht
der Eltern, gegen einen Fünfer ihrer Sprösslinge zu berufen, fatale Folgen
hat. Bei einer Berufung müssen sich Lehrer gut dokumentiert in einem unangenehmen Verfahren vor dem Landesschulrat verteidigen. Dass da so mancher Fünfer nicht gegeben wird, ist nicht verwunderlich.

Bislang hat aber die Lehrerin, der Lehrer mit der Direktion, der Schulinspektion zu tun, also mit anderen Lehrern.
Da setzt die Kritik der Erfinder der neuen Regelung an: Ja, da wisse man doch, woran man sei, da hacke eine Krähe der anderen kein Auge aus, da bekämen nur die Lehrer recht.

Vor einem Gericht, ja, da bestünde die Aussicht auf ein faires Verfahren. Die ab 2014 tätigen regionalen Verwaltungsgerichte in den Bundesländern sollen entscheiden. Als ob nun Richter zu Ober-Mathematikern, Ober-Germanisten oder sonstigen Ober-Weisen mutieren würden. Die Richter werden Gutachten einfordern müssen, und von wem? Von Fachleuten, von Lehrern, Direktoren, Landes- und Bezirksschulinspektoren und -inspektorinnen.

Akut ist eine Berufung, wenn ein Fünfer das Aufrücken in die nächste Klasse gefährdet. Wenn aber Ende Juni der Fünfer sein Opfer trifft und die Eltern zum Verwaltungsgericht eilen, dann ist Monate später, vielleicht sogar Jahre später mit einem Urteil zu rechnen. Was geschieht mit dem Schüler, mit der Schülerin in der Wartezeit?

Der Unsinn der neuen Regelung wird rasch offenbar. Weniger leicht erkennbar ist die Problematik der Berufung selbst. Ohne jeden Zweifel - es gibt ungerechte Lehrer, es gibt falsche Entscheidungen und es muss eine Möglichkeit geben, sich zu wehren. Allerdings herrscht die Tendenz, die lieben Kleinen über Gebühr zu schonen, sie nicht mit Fünfern zu quälen oder sie überhaupt nicht mit Noten zu belästigen.

Diese vermeintlich schülerfreundliche Politik hat nur den Effekt, dass die Kinder und Jugendlichen keine Orientierung über ihren Wissensstand haben. Nach einer längeren Periode der trügerischen Schonung werden aber die Lücken offenbar und dann werden die Betroffenen unter Druck gesetzt. Und dieser Druck stellt tatsächlich eine enorme Belastung dar. Ein rechtzeitig vergebener Fünfer hat noch jeden Schüler animiert, bei der nächsten Gelegenheit einen Vierer zu schaffen.