Die in Washington und Paris ansässigen Weisen sandten an die Ufer der Newa die frohe Kunde, dass die Weltwirtschaft in recht guter Verfassung sei. Die hohen Damen und Herren aus den G-20-Ländern, die diesen Gipfel der Bekämpfung der Rezession widmen wollten, konnten sich daraufhin entspannt dem Wodka, dem Kaviar und den Blini widmen.
Die Aktion beschränkte sich nicht auf die beiden weltweit agierenden Institutionen. Auch in Österreich sind Musiker mit verführerischen Tönen unterwegs. Die Weisen, insbesondere jene in der Nationalbank, bänkelsingen auch hierzulande Balladen, die eine wohlige Erholung verkünden. Die in Österreich gefeierte Besserung entspricht den internationalen Werten, und so mögen die heimischen Lieder stellvertretend als Maß gelten: Die Wirtschaft soll heuer statt um 0,3 um sensationelle 0,5 Prozent wachsen.
Diese Aussage ist schlicht lächerlich, wenn man berücksichtigt, dass die endgültigen Berechnungen der Wirtschaftsleistung Jahr für Jahr von den laufend verkündeten Daten um ganze Prozente abweichen. Mehr noch: 0,3 oder 0,5 oder sogar 0,6 Prozent sind nicht in der Lage, die Firmenpleiten und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Der Umstand, dass in Deutschland, Frankreich oder Österreich die Wirtschaft heuer nicht schrumpft, korrigiert nicht die Tatsache, dass die Leistung des Euroraums insgesamt sinkt.
Der Währungsfonds und die OECD haben eine negative Entwicklung in ihren rosaroten Brief an die G-20 verpackt: Die jungen Industriestaaten verzeichnen derzeit ein deutlich schwächeres Wachstum. Somit fallen derzeit jene Länder aus, die in den vergangenen Jahren die Motoren gebildet haben. Eine derartige Phase liegt in der Natur einer wirtschaftlichen Entwicklung: Es gibt kein ungebrochenes Wachstum, phasenweise sind Anpassungen und Rückschläge unvermeidlich, die von neuerlichen Wachstumsschüben abgelöst werden.
Nur fällt die aktuelle Etappe mit der Schwäche Europas zusammen. Somit ist in erster Linie der alte Kontinent gefordert, seine Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Jubeltöne anzuschlagen, wenn Deutschland und Frankreich eine leichte Erholung verzeichnen, zu behaupten, dass die Schwäche der jungen Industriestaaten durch einen Aufschwung der alten ausgeglichen werde, erweist sich als gefährliches Placebo.
Tatsache ist, dass die USA heuer ein Wachstum von zwei Prozent ausgehend von ihrem hohen Niveau erzielen, Japan mit einer ähnlichen Rate rechnet, China zwar schwächer, aber immerhin noch um über sieben Prozent wächst und Indien mit großen Problemen kämpft und trotzdem mit einem Wachstum um 5,5 Prozent rechnet. Europa ist die wahre Schwachstelle der Weltwirtschaft.
