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Der Mond

Ingo Hasewend

Herbert Grönemeyer hat einst gedichtet: "Der Mond ist voll, ich bin es auch." Wenn er besonders dicht ist - also der Mond und nicht der Barde aus Bochum -, besteht nüchtern betrachtet die Chance auf spektakuläre Bilder. So geschehen im Wonnemonat, der damit ein echtes Mailight zu bieten hatte. Denn Mond, Erde und Sonne standen dieser Tage auf einer Achse. Und weil die Sonne quasi die Erde mit ihren Strahlen umarmt und im Vollschatten damit erhellt, leuchtet der Trabant rot. Blutmond wird das Ereignis genannt, gleichwohl das natürlich eine friedliche Begegnung ist.

Obwohl der erste Mensch auf dem Mond ein Amerikaner war, bleibt der Erdbegleiter neutral und scheint als Leuchtelement auch in Russland - passenderweise jetzt mit dem passenden Ton über dem Roten Platz. Blutmond scheint ein Wink mit dem Zaunpfahl für die Anwesenheit über Moskau.

Der Fotograf Kirill Kudryavtsev jedenfalls fand das Motiv vom zaristischen Doppeladler als Nationalsymbol für das Russische Kaiserreich auf einer der Turmspitzen des Kremls vor dem Blutmond irgendwie dialektisch und ästhetisch überdies. Bilder verstörender Schönheit finden sich ja oft in den Fotoausstellungen dieser Welt. Dass der Adler dadurch bronzen und nicht golden glänzt, ist aber nur dem Mond, dem blutigen, zu verdanken.