Beim Fußball ist es einfach. Da kann sich keiner so richtig vorstellen, wie das gehen soll, das mit dem Doping. Dabei ist das ganz einfach. Es gibt zum Beispiel herrliche Wachmacher aus der Psychopharmaka-Abteilung.
Wer die einschmeißt, dessen Hirn kann im Strafraum die paar entscheidenen Hundertstel schneller reagieren. Und vor dem Tor geht's im High-Speed-Fußball ja nicht um Sekunden, sondern bloß um Wimpernschläge. Und bei 80, 90 Spielen im Jahr für die besten Profis der bestorganisierten Mannschaften kann es durchaus nützlich sein, in den wenigen Regenerationsphasen mit dem einen oder anderen Mittelchen nachzuhelfen.
Aber aus jetzt! Nur Vermutungen! Böse Unterstellungen! Denn: Es gibt im Fußball trotz der Millionen, die ihn spielen, kaum positive Dopingfälle. Experten sagen, das kann zwei Gründe haben: Es wird lasch kontrolliert oder es wird so gut professionell verabreicht, dass eben alles gegen die Regeln nach Plan läuft.
Interessant ist dabei: Es findet sich kaum jemand, der eindeutig sagt, dass gar nicht gedopt wird. Nein, falsch. Gibt es doch! Die Fifa sagt das, der allumfassende Weltverband. Und die Fifa weiß, worüber sie redet. Sie hat ja die Hände immer im Spiel. Also: Keine Dopingfälle.
Das kann auch daran liegen, dass die Fifa ihre Hand auch auf den Dopingproben hat. Veröffentlicht wird nur, was ins Bild passt. Und Doping passt halt gar nicht ins Bild, wenn es doch um die friedensstiftende, heilende Wirkung des Ballspiels geht. Also hat es der Fußball sehr einfach, so rein zu sein wie schöner Schein. So schützt man den Sport vor allzu neugierigen Aufklärern, vor denen, die hinter die Kulissen schauen wollen. Nichts da! Vorhang runter! Alles gut!
So einfach geht's im Radsport nicht, wo Doping von Cognac und Amphetaminen in der Frühzeit bis zu EPO und Kälbermastmittel und genmanipulierte Medizin in der Gegenwart quasi zur Tradition gehören.
Der Radsport hat im Gegensatz zum Fußball auch den Nachteil, dass jeder leicht verstehen kann, wie und was gedopt werden kann. Das liegt daran, dass es hier vor allem um Ausdauer geht. Klar nachvollziehbar ist, dass man seinem Körper Mittel verabreichen kann, die einen weiter und länger fahren lassen. Freilich lässt sich das Blut so manipulieren, dass es mehr Sauerstoff aufnimmt - was bei steilen Bergfahrten eher günstig ist. Und man kann auch ein bisserl die Lunge besprayen, damit die Bronchien aufmachen, mehr Sauerstoff hineinpasst, der dann das Blut leichter in den Muskeln zirkulieren lässt. So etwas versteht auch der größte Zuschau-Depp.
Was aber niemand versteht: Warum darf einer fahren, obwohl er erwischt wurde? Womit wir nun bei Chris Froome sind.
Gegen den Briten lief bis Montag ein Verfahren wegen Dopingverdachts. Nun, ein paar Tage vor Beginn der Tour de France, hat die UCI, der Radsportweltverband, das Verfahren eingestellt.
Umso kurioser ist das, als die Einstellung bekannt wird, just einen Tag, nachdem die ASO, Veranstalter der Tour de France, Froome den Start versagen wollten. Sie fürchten um die Reputation ihres Rennens, und also auch wieder einmal um die Reputation des gesamten Sportes. Also sollte keiner starten, bei dem der Verdacht so offensichtlich mitfährt.
Im schlimmsten Fall nämlich gewinnt Froome die Tour zum fünften Mal und wird dann im Nachhinein gesperrt und die Tour steht, wie einst mit Lance Armstrong, ohne Sieger da. Lächerlicher kann man sich nicht machen. Aber jetzt besteht dieses Gefahr ja nicht mehr - sagt die UCI. Froome darf fahren - ob ihn die ASO haben will oder nicht. Es gibt kein Mittel (auch kein juristisches), ihn zu stoppen.
Worum also geht es? Froome war bei einer Kontrolle während der Spanien-Rundfahrt am 7. September 2017 mit 2000 Nanogramm Salbutamol im Urin aufgefallen. Mittel wie Salbutamol weiten die Bronchien und erleichtern es, unter hoher Belastung zu atmen. Darum steht das Mittel auf der Dopingliste.
Bis zu einem Grenzwert von 1000 Nanogramm pro Milliliter ist die Einnahme des Mittels gegen Asthma erlaubt - auf dieses Leiden hatten sich Froome und sein Sky-Team unter anderem berufen und sie haben einen 1500 Seite umfassenden Rechtfertigungsbericht mit medizinischen Analysen vorgelegt. Froome, der die Vuelta gewann, wurde nicht vorläufig suspendiert. Und nun wird er freigesprochen.
"Aus solch einem Testergebnis ergibt sich aber keinesfalls automatisch ein Missbrauchsverdacht", sagte David Müller von der österreichischen Anti-Dopingagentur Nada im SN-Gespräch nach Bekanntwerden des positiven Befundes von Froome im vergangenen Jahr. Das heißt, dass nach den Regeln der internationalen Anti-Doping-Agentur nicht unbedingt ein Verstoß gegen die Dopingrichtlinien vorliegen muss.
Das liegt daran, dass es für die Verwendung verschiedener Medikamente auch Ausnahmegenehmigungen gibt. Dazu gehört Salbutamol, jenes Medikament, das Froome verwendet. Aber es gibt klare Grenzwerte. Wer darüber liegt, sollte - außer bei seiner Atmung - ein Problem bekommen. Außerdem hat Salbutamol ab einer gewissen Menge auch eine anabole Wirkung. Dann wird etwa der Stoffwechsel beeinflusst. Und Froome lag weit über dem Grenzwert.
Seit Monaten beteuert Froome seine Unschuld betont. "Ich habe ein reines Gewissen", sagt er und "Ich bin sicher, dass die Leute meinen Standpunkt übernehmen werden." Der Radsportweltverband hat das nun getan. Man verlasse sich dabei auf Experten, sagte man zu dem Urteil. Für einen Ausschluss von der Tour de France gibt es nun keine juristische Grundlage mehr.
Interessant ist allerdings, dass die UCI in früheren, vergleichbaren Fällen ganz anders vorgegangen war. 2008 musste Sprinter Alessandro Petacchi aus Italien ein Jahr pausieren (Salbutamol-Wert: 1320 ng/ml). Es wurden ihm auch fünf Etappensiege beim Giro d'Italia aberkannt. Diego Ulissi war 2014 erwischt worden (Sabutamol-Wert: 1900 ng/ml). Wer nun die Werte dieses Geächteten ansieht, wird leicht erkennen: Froome lag mit seinen 2000 Nanogramm deutlich über diesen Werten, darf nun aber trotzdem fahren.
Es gibt keinen Beweis, dass Chris Froome vorsätzlich gedopt hat. Das spricht für Chris Froome. Es gilt also die Unschuldsvermutung.
Es gibt aber auch keine unverrückbaren Tatsachen, dass er es nicht getan hat. Und den klar definierten Grenzwert hat er überschritten - egal wie es passierte. Die Konsequenz wäre klar: Sperre. Vieles also spricht gegen einen fahrenden Froome.
Noch mehr aber spricht die gesamte Vorgangsweise wieder einmal gegen die Verantwortlichen in den höchsten Gremien eines Weltsportverbandes. Und diese Vorgangsweise hat dann wieder sehr viel mit den Strategien zu tun, deren sich auch die Fußballmächtigen bedienen: Tarnen, Täuschen, Ausreden suchen - und damit vermeintliche Helden und Werbeträger schützen.