Ich denke in Print. Das ist keine Krankheit. Aber ein bisschen fühlt es sich an wie die Vorstufe zum Altersheim. Jedenfalls fühlt es sich so an, wenn man für eine gedruckte Zeitung schreibt, während rundherum Blogger und Internet-Nerds aus allen Kanälen schießen, während pausenlos upgedatet, gestreamt oder verlinkt wird. Und ich tu ja selbst auch mit, sprich: Es entgeht Ihnen, treue Leserin oder Leser, etwas, wenn Sie nur die Zeitung aufschlagen und nicht auch auf der Homepage surfen. Trotzdem werde ich auch in der digitalen Welt diese Alterserscheinung nicht los: Ich denke in Print. Nun, so ganz stimmt das gar nicht, aber der Satz ist so schön. Ich habe mit dem buchstäblichen Print, also dem Drucken der Zeitung, ja nichts zu tun. Man lässt mich hier in Worten und Sätzen denken, ich habe dann Zeit, darüber zu grübeln, ob ich an dieser Stelle statt "grübeln" eher "sinnieren" oder "nachdenken" hätte schreiben können. Und manchmal kommen am Ende Geschichten heraus, die gelesen werden können, weil sie gedruckt werden. Dafür bekomme ich Zeit. Das fällt mir ein, weil ich diese Woche wenig Zeit dafür gehabt habe. Ich saß jeden Tag im (oder heißt es "am"?) Newsdesk, jedenfalls dort in unserer Redaktion, wo flott der digitale Auftritt hergestellt wird. Die Kollegen nahmen mich freundschaftlich auf als Lehrbuben. Und ich habe auch nichts gesagt, als ich schon nach ein paar Stunden Kopfweh hatte wegen wachsender Zweifel, ob meine Performance diesen Teil unserer Redaktion tatsächlich unterstützen kann. Mir geht das alles zu schnell. Da zucken Zugriffszahlen. Die Verweildauer der User auf einzelne Artikel wird ausgespuckt. Und sofort spucken User dazu ihre Meinung (wenn man das überhaupt so nennen kann, was da oft so gepostet wird) zurück. Dauernd ist was. Dauernd jetzt, singt Herbert Grönemeyer. Und genau so ist das. Am Newsdesk ist dauernd jetzt. Das muss man können, dieses dauernd im Jetzt sein, grad noch am Tennisplatz in Paris, dann beim Politskandal und gleich beim Hochwasser oder sonst wo. Dieses Rasante umspült mich auch im Leben und ich weiß, dass eine Zeitung mit dem Rasanten mithalten muss. Ich nicht. Ich kann das nicht. Ich bin dafür nicht gemacht. Das Kopfweh kam auch, weil ich ein bisserl neidisch bin auf die Kollegen, die das locker beherrschen, dieses Jonglieren mit Geschichten. Ich Schreiberling bin ja schon froh, wenn mir überhaupt eine einfällt. Ich denke in Print - und sicher bin ich mittlerweile, dass ich auch so fühle.
Allein im digitalen Raum: Dauernd jetzt ist nicht mein Zustand
Ich verschwand dieser Tage im digitalen Raum. Also vergaß ich diese Kolumne zu schreiben. So gibt's eben nur einen Rettungsversuch.

BILD: SN/APA/AFP/CNA/SAM YEH
Allein im digitalen Raum: Dauernd jetzt ist nicht mein Zustand

