Man musste Cato sein. Und es musste um die Zukunft des Römischen Reiches und also die Zerstörung Karthagos gehen. Dann war möglich, dass man als brennender Redner in die Weltgeschichte eingeht. Wutreden hatten immer Saison. Heute reicht da schon ein heftiger Nachbarschaftskonflikt über den Untergang einer Thujen-Hecke (Gift? Säge?), über den ausführlich berichtet wird. Oder besser noch: Ein F-Promi-Zickenduell oder ein Next-Top-Model-Tussi-Gefecht.
Daraus wird dann im Unterschichten-Fernsehen eine Reportage und schon ist von Wutrede die Rede. Berühmt wurde mit einem wütend weltbewegenden Beitrag zur Rhetorik auch der deutsche Fußballer und damalige Nationaltrainer Rudi Völler. Er schalt live den Moderator Waldemar "Waldi" Hartmann. Der Waldi sitze, sagte Völler, während der Spiele da, schlürfe ein paar Weißbier (wofür Hartmann später einen Werbevertrag mit einer Münchner Brauerei bekam) und dann mache er den deutschen Fußball schlecht.
Dass aus Österreich kein solches Ereignis überliefert ist, hat nichts damit zu tun, dass sich über den Fußball hier zu Lande nicht lästern ließe, aber es hat alles zu tun mit rhetorischer Unfähigkeit. Nun taucht eine neue sprachliche Leistung Völlers auf, die bis Österreich, ach was, weltweit Wirkung und Wahrheit haben kann.
Bayer Leverkusen, der Verein, dem Völler als Sportdirektor dient, kickte eh gut, verlor aber trotzdem öfters. Und weil Verlieren, Niederlage und Scheitern ganz böse Worte sind im Spitzensport, und weil, wenn solches ausgesprochen wird, auch die Millionen nicht reichen, um die sensiblen, deprimierten Kicker wieder aufzurichten, fand Rudi Völler die Lösung.
Angesprochen auf die verlorenen Partien sprach Völler, von "einer mittleren Ergebnisproblematik". Eine sprachliche Finte, die man sich abschauen muss, weil sie dauernd nützlich ist! Im Übrigen, um Cato sprachlich ins Spiel zu bringen, besagt Völlers Idee der mittleren Ergebnisproblematik, dass jede Zerstörung nur vergänglich, womöglich ein Schritt nach vorne sei. Denn wird nicht das Leben als Ganzes dauerhaft von mittlerer Ergebnisproblematik durchzogen?
Nehmen wir Next-Top-Model-Shows, Castings für den Songcontest, ja sogar die Politik. Da wird oft tränenreich und missverstanden ausgeschieden. Und oft nur ein bisserl später tauchen die Ausgeschiedenen wieder auf: die Models als Moderatorinnen, die Sänger bei Ö3 und sogar als Aufsichtsräte die Politiker.
In Karthago, um Cato inhaltlich noch einmal ins Spiel zu bringen, hätten sich die Leute durchaus gefreut, wenn die mittlere Ergebnisproblematik schon damals Wirklichkeit gewesen wäre.

