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Der Hausverstand verlässt den Supermarkt

Viele kennen ihn nur mehr aus der Werbung für Billa, dabei ist er neuerdings wieder öfter direkt unter uns: der Hausverstand.

Bernhard Flieher

Zeichnet sich da schon im Februar "The Return of the Year" ab? Ein Comeback, gegen das die einstigen Rücktritte von Rücktritt von Muhammad Ali oder Niki Lauda als müder Gag verblassen? Es macht den Anschein, als bekämen wir es wieder mit dem Hausverstand zu tun. Bei Diskussionen um die Salzburger Raumordnung wurde er kürzlich erwähnt. Salzburgs Bürgermeister mahnte ihn bei Verkehrslösungen in der Altstadt ein. Selbst eine Tierexpertin führte ihn ins Treffen, weil die Wissenschaft beweise, was "uns der Hausverstand sowieso sage: dass Licht und Luft förderlich sind für die Gesundheit". Sie bezog das auf Tiere, aber es gilt schon auch für Menschen. Dass man sich auf solcher Breite des Hausverstands erinnert, kommt überraschend, wenn man sich anschaut, was gegenwärtig und gemeinhin für bedeutend gehalten wird. Ja, es wundert umso mehr, als der Hausverstand vor Jahren - quasi im Namen jener Allgemeinheit, die sich aus Vakuumpackerln ernährt, jedem Sonderangebot die Vernunft und der Kundenvorteilscard freiwillig ein Stückerl Privatheit opfert - bei einer Supermarktkette abgegeben wurde. Und nun? Er scheint sich hart zurückkämpfen ins echte Leben. Jedenfalls gibt es deutliche Zeichen, dass dieses Ringen stärker wird. Das kann nur die gemeinsten Zyniker nicht zuversichtlich stimmen. Allein ein Blick in diese, wie Ihr Verstand Ihnen sagt: Lieblingszeitung, beweist die Rückkehr des Hausverstands aus der Supermarktwerbung in die Realität. In vier Interviews, drei Glossen und sieben Berichten tauchte der Hausverstand seit Jahresbeginn auf. Das ergibt bei bisher 46 Ausgaben immerhin einen Schnitt von Hausverstand an etwa jedem dritten Tag. Für das gesamte vergangene Jahr spuckt das Archiv bloß 39 Einträge aus. Außerdem tauchte er da überwiegend in Leserbriefen auf. Das muss als Indiz gewertet werden, dass er bei Leserin und Leser mehr daheim ist als bei denen, über die berichtet wird. Wenn der Hausverstand nun also auf der anderen Seite auftaucht, darf das als unglaubliche Auferstehung gelten. Hausverstand an jedem dritten Tag! Jedenfalls als Wort, als Beharren darauf, ihn zu besitzen. "Einen gewissen Hausverstand haben wir (. . .) ja schon auch", sagt in einem Interview ein Bürgermeister. Man gibt also freimütig zu, dass man immerhin über ihn, den Hausverstand, verfüge. Dass er sich dann gleich in glorreichen Taten bemerkbar mache, sollte man in einem solch frühen Stadium der Rückkehr noch nicht erwarten.