SN.AT / Kolumne / Fliehers Journal

Das Einzige, was wir hab'n, ist geschlossen

Kürzlich im Eiscafé schlug wieder einmal der Hamma-ned-Hammer zu.

Bernhard Flieher
Das Einzige, was wir hab'n, ist geschlossen
Das Einzige, was wir hab'n, ist geschlossen

Zeitlosigkeit - das ist eine gute Sache. Und das Schlecken von Eis kann dieses Gefühl herzaubern. Ein paar Eiskugeln sind ja zu nichts anderem als zum sinnlosen Zeitvertreib zu gebrauchen. Das bestätigt jeder Ernährungsberater. Also biegen wir ums Eck, wo die Eisdiele "Timeless" heißt. Ein bisserl einen dieser ersten warmen Frühlingstage in der Stadt genießen, laue Luft atmen und den Geschmack von Schoko und Zitrone auf dem Gaumen, so wie der Herr, der jetzt gerade an uns vorbei aus der Eisdiele geht. Wir ahnen nicht, dass er mehr Glück hat als wir. "Schoko und Banane", sagt der Bub, der sich gleich hinter dem Mann angestellt hatte. "Wir haben nichts mehr", sagt der Bursche hinter der Vitrine. Er dreht sich weg, um geschäftig Geschirr in den Spüler zu räumen. Blöd ist, dass Eisvitrinen gläsern sind. Und durch das Glas lachen die Sorten. Alles da, in Mengen, die für ganze Schulklassen reichen. Für uns müsste das reichen. Wir stehen eh nur zu viert an: der Bub und dann wir drei.

"Das geht sich doch leicht noch aus", sage ich, weil ich einen Schmäh des Eisverkäufers vermute. Aber das versteht der jetzt gar nicht - und schon gar nicht als Scherz. "Wir haben zu", sagt er und tut noch beschäftigter als zuvor. Die Sonne ist noch nicht untergegangen. Der Frühling wärmt den Abend. Es ist knapp nach Viertel nach sieben. In der Stadt ist flanierenden Menschen anzumerken, dass sie Lust auf draußen haben - und womöglich auf die irre Idee kommen könnten, noch ein Eis schlecken zu wollen. Im Schanigarten vor dem Lokal, wo wir ums Eis ringen, sitzen Leute beim Kaffee. Im Inneren des Cafés serviert die Kellnerin zwei Torten und eine heiße Schokolade. "Da ist doch nicht zu", sage ich. "Doch", sagt er. "Schaut aber offen aus", sage ich. "Zu", sagt er. "Was meint der Mann", will der Bub wissen - und er schaut so entsetzt, wie Kinder schauen, wenn sie Angst haben, nicht das zu bekommen, worauf sie sich freuen. "Wir wollen ja eh kein Schnitzel mit Extras, sondern nur ein paar Kugeln Eis und die sind doch flugs auf so eine Tüte draufgepappt", sage ich. "Nein, wir haben zu", sagt er. "Aber die Tür ist offen", sagt der Bub. "Es ist trotzdem zu", sagt der Nicht-Eisverkäufer, während die Kinder jetzt so dreinschauen, als würden sie jeden Moment zu weinen beginnen, und er zieht eine Kühlfolie über die Eis-Plastikbecher in der Vitrine. Und die Kleinen lernen, dass es tatsächlich Dinge gibt, die kein Ablaufdatum kennen. Zum Beispiel der alte Spruch aus dem Schwarzbuch der Gastfreundschaft: "Es heißt ja Wirts-Haus und nicht Gast-Haus."