Gut möglich, dass Sie mich schon am Wochenende als Schwindler ertappen (oder in ein paar Minuten nach dem Fertiglesen), aber ich muss es sagen: Ich schaue mir sicher kein einziges Spiel bei dieser Fußball-Europameisterschaft an! Mich überfordern das Tippen und die Fragerei über "wann" und "welches Spiel" und "bei welchem Public Viewing" schon jetzt. Außerdem: Public Viewing Area?! Geht es nach den Betreibern dieser No-Go-Areas, dann herrscht ja schon seit Wochen so was von "EURO-Feeling". Auch von "Fußballfieber" wird gefaselt. Das müssen die sagen. Wo das Fieber am größten ist, da laufen die meisten hin und dann sind die Plätze voll, die Zapfhähne glühen und der Umsatz rennt. Weil: Fußball ist ein Geschäft. Ach was, Fußball ist das Geschäft - worldwide! Und sogar bei uns. Erst recht, weil die Unsrigen mitspielen. "Die Unsrigen"" - das wird man jetzt öfter hören (wer sich heimischen und also distanzlosen Fan-TV-Kanälen ausliefert, hört es dauernd). Die Floskeln, das nationale Geplärr, das sich auch über die Outlinie hinaus so ekelhaft ausdehnt, das erspare ich mir (oder, um einen Freund zu zitieren: Er schaue Fußball im heimischen TV nur, wenn er sich "sadomasomäßig richtig wehtun möchte"). "Uns", das gilt dann, bis aus dem "Wir" wegen kläglichem Ausscheiden wieder "die Mannschaft" wird. Nach rhetorischen Fähigkeiten bemessen sollte das so bald wie möglich passieren. Überhaupt muss aus sprachlicher Sicht konstatiert werden, dass die Übertragungen der Spiele Österreichs, Deutschlands und der Schweiz die Problemfälle dieser Europameisterschaft (und aller vergangenen noch dazu) sind. Und das liegt an der Sprache. Da verstehe ich nämlich jeden Schwachsinn, jede Banalität, jeden Allgemeinplatz. Was da sprachlich einläuft auf das Feld des kleinsten gemeinsamen Nenners, also der Quote, verweigert ja konsequent die Poetisierung der Herrlichkeit dieses Spiels. Stattdessen wird einfach nur geplappert. Aber, und jetzt dreht sich die Sache (gleich dem Ball, der ja rund ist, damit das Spiel seine Richtung wechseln kann): Danke Globalisierung! Danke Streaming-Welt! Danke Eurosport-Player! Ich muss mir das Ganze nicht mehr anschauen und gleichzeitig verstehen, was gesagt wird. Ich kann flüchten! Ausweichen. Und immer besser gefällt mir Fußball, wenn ich ihn in fremden Sprachen höre, in Übertragungen aus Ländern, deren Sprache ich nicht beherrsche. Ich gehe davon aus, dass auch auf Polnisch, Türkisch oder Ungarisch die Unheimlichkeit des "Uns" regiert. Aber weil ich es nicht verstehe, trübt es nicht das Vergnügen am Spiel. Die Emotion - im Ton des Jubels und im Zittern der Schmach - kommt an. Und richtig froh bin ich, dass ich so schlampig war beim Ungarischlernen, weil so entsteht doch Euphorie, als der Hias anruft und fragt, wo wir das erste Österreich-Spiel schauen könnten.
Ich werde bei dieser EURO kein Spiel schauen
Die Freude am Fußball wird getrübt vom Wissen, wie darüber geredet wird.

BILD: SN/APA/AFP/MARTIN BUREAU
Ich werde bei dieser EURO kein Spiel schauen

