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Kinder, schleicht euch runter vom Rasen!

Diese Kolumne war stets fußball- und kinderfreundlich. Kann sie das bleiben?

Bernhard Flieher

Fußballspiele sind kein Kindergeburtstag. Ich erinnere mich noch an Claudio Gentile, das Raubein aus Turin, an dem bei der 82er-WM auch die brillierenden Maradona und Zico scheiterten. Ich spielte gern den Gentile, wenn wir irgendwo kickten. Das könnte man im Rückblick verklären. Man könnte behaupten, dass ich mich aus Respekt vor den Könnern beim Kicken in der Garageneinfahrt nicht mit den Namen der Götter schmücken wollte und stattdessen das brutale Handwerk der Manndeckung zelebrierte. Das wäre aber gelogen. Dass ich den Gentile nachspielte, lag simpel daran, dass ich halt nichts anderes konnte als g'scheit reinhauen. Aber immerhin hatten wir Platz. Auf der Straße. Auf der Wiese. Manchmal sogar in der Pause eines Meisterschaftsspiels auf dem Fußballplatz, wo sonst die Großen spielten. Dass mir der Gentile einfällt, liegt an Pepe, dem aktuellen portugiesischen Raubein. Als der nach dem Viertelfinale seine Kinder herzte, mit ihnen auf dem Feld spielte, war klar: Das ist ein Guter, der im Match halt seinen Job hart interpretiert. Und erst recht die Tochter von Gareth Bale, die mit Super-Papa über das Feld tollte! Das waren die besten Bilder der EURO, weil sie in ihrer Unschuld jenseits des Geschäfts, jenseits von Taktik und Berechnung eine menschliche Seite offenbarten. Aber so geht's freilich nicht. Das Menschliche hat im maximal gewinnorientierten Welthandel mit der Ware Ball nichts verloren. Also schreckte die Kinderliebe der kickenden Schwerverdiener offizielle Regelwächter auf. Für Kinder auf dem Platz gibt es nämlich keine Regel. Besser: Es gab keine. Die Funktionäre der UEFA, jenem Verein, der Fußball in erster Linie als Gelddruckmaschine betrachtet, haben nämlich eine Änderung ersonnen. Künftig dürfen Kinder nach dem Spiel nicht mehr auf den Platz, weil das "keine Familienveranstaltung" sei. Stadien seien außerdem "nicht der sicherste Platz für Kinder". Wenn das jemand über eine Straßenbaustelle sagt, gut. Oder über ein Baugerüst, auch gut. Aber ein Platz zum Fußballspielen? Ich fordere also, dass irgendeiner der UEFA-Hausmeister Lolinger und ihren Freunden das genau erklärt. Die mögen das nämlich, die Fahnen, das Klatschen, das Jubeln, das Singen, das Spiel. Sie schauten so viele Spiele, wie es die Eltern zuließen und hatten das Glück, dass in der Schule schon fast nichts mehr los war. Am liebsten wären sie Töchter und Söhne von Bale oder Pepe, damit sie auch einmal da unten herumwuseln könnten. "Leider bist du kein Bale, aber das macht nichts", sagte Lolinger.

Nachsatz: Gerechterweise haben alle die UEFA wegen der vertrottelten "Betreten verboten"-Regel ausgelacht. Alle? Nein! Oliver Bierhoff, Manager des deutschen Teams, meinte: "Wenn man auf dem Platz als Mannschaft ist, sollte die Mannschaft auch unter sich bleiben." Das "Unter sich"-Sein konnte das deutsche Team dann eh bei der Heimreise nach dem Halbfinale auskosten.