SN.AT / Kolumne / Fliehers Journal / Fliehers Journal

Klatsch und juble mit! Du wirst dafür ja auch bezahlt!

Sie wundern sich wieder einmal, dass bei einer billigen Deppenshow der Applaus toste? Das lässt sich einfach erklären. . .

Bernhard Flieher

Nach der Fahrradprüfung geht's ein bisserl zäh her bei der Scheinverleihung. Zuerst wird von allen Kindern für die anderen noch heftig applaudiert. Dann aber, wenn einer nach dem anderen seinen Freifahrtschein in Händen hat, lässt der Eifer beim Applaus für die anderen nach. Ich darf Fahrrad fahren, also bin ich! Und der Rest geht unter. Und in der Freude über sich selbst kann man schon vergessen, auch bei den Letzten, die noch dran sind, zu klatschen. Das ist ein bisserl gemein. Und es könnte ja auch ganz anders sein. Denn
es gibt ein Unternehmen, für das keine Veranstaltung zu mickrig, zu banal oder zu sinnlos ist, um sie bejubeln zu lassen. Und zwar richtig. Professional, ja gar so, dass man bei jeder Art von "gesellschaftlichen, privaten und geschäftlichen Anlässen" das Gefühl bekommen kann: Es passiert gerade das Wichtigste überhaupt von der ganzen Welt. Weil es passiert ja viel zu viel auf der Welt. Und jeder Mensch hält, was er gerade passieren lässt, freilich für das Wichtigste. Fahrradprüfungen sind dafür vielleicht nicht das beste Beispiel, aber ein Großteil aller Kultur- und besonders jeder Society-Event sind es auf jeden Fall. Das Aufregende zwischen Theaterpremiere und Weinverkostung ist so inflationär geworden, dass Aufregung allein nicht mehr genügt. Die Aufregung muss organisiert werden, sonst passiert sie nicht. Kurz gesagt: Jeder Scheiß lässt sich zum Event aufblasen. "Mit rotem Teppich, Absperrungen, Security, Fotografen, Fun-Artikeln und vielem mehr, erreichen Sie ungeteilte Aufmerksamkeit", wird angeboten. Möglich macht das die Rent-a-Fan-Community. "Fans, Publikum, Akteure mieten und Sie sind auf der sicheren Seite", steht da. Da endet dann auch die letzte Deppenshow mit Standing Ovations. Auf der Rent-a-Fan-Homepage kann man sich unter dem Link "Ich möchte Fan werden" ziemlich einfach anmelden. Es gibt Geld fürs Klatschen und Jubeln. Es wird auch aufgeklärt, was dann zu tun ist. Denn es stellt sich ja die Frage: Was passiert, wenn einem die Veranstaltung, für die man als Jubel engagiert ist, doch nicht gefällt und man keine Lust zum Klatschen hat? Was dann passiert, ist einfach: "Sollte uns das auffallen, werden Sie gebeten die gewünschten Aktionen auszuführen. Da Sie im Voraus wissen, was wir vor Ort erwarten, wird bei Nichtausführung keine Vergütung ausgezahlt." Wenn die Kohle stimmt, dann klappt's aber bestimmt immer mit dem Jubel. Wer so etwas in Anspruch nimmt? Da tut man sich bei Rent-a-Fan ein bisserl schwer, weil man den Kunden "die größtmöglichste Anonymität unseres Einsatzes" gewährleisten möchte. Das ist löblich. Und logisch: Wer wird denn schon so deppert sein und zugeben, dass man bezahlte Jubler engagiert. Andererseits: Bei dem allem, was bejubelt wird, muss man davon ausgehen, dass der "bezahlte Jubler" längst zu einem Massenphänomen geworden sein muss.