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Schönheit macht unglücklich

Ich stürze keinen ins Unglück. Das liegt daran, dass ich nie Fotos mache.

Bernhard Flieher

Man kennt das ja, da zeigt jemand seine Bilder von der Patagonien-Reise oder aus Grönland und schon überkommt einen der Neid. Und dann schleicht auch gleich das Unglück heran, das gern entsteht, wenn man wo nicht ist, wo es schön ist. Bergün setzt nun Maßstäbe in der Bekämpfung des Unglücks, das durch ferne Schönheit ausgelöst wird. Die in Bergün an der Albulapass-Straße in der Schweiz haben ein Fotoverbot über den Ort verhängt. Ganz im Sinn der Sicherheit mit Verbotsschildern und Warnhinweisen. Es bestehe, heißt es, die Gefahr, dass die Publikation von Bildern aus dem bezaubernden Bergdorf eine gewisse Unglücklichkeit auslösen könnte, bei denen, die nicht dort sind oder waren.

Schnell konnte da der Dümmste checken, dass das Fotoverbot bloß ein billiger Trick von Tourismusstrategen ist.
Knipst, was geht, heißt die Kampagne in Wirklichkeit - und lasst das Geknipste so viele wie möglich sehen. Teilt auf Facebook. Beballert Instagram. Dann werden wegen der Bilder so viele unglücklich, dass sie sofort eine Reise buchen. Ich kann zu diesem Glück der Touri-Industrie leider nichts beitragen.

Ich neige zur Verschwiegenheit, je schöner etwas ist. Da überkommt mich der Egoismus. Das Schöne möchte ich am liebsten für mich allein behalten. Ich bewerte auch im Netz keine Hotels oder Restaurants, selbst wenn die mir für ein paar Bewertungssterne Rabatte für den nächsten Besuch anbieten. Der zweite Besuch ist wegen der Erwartungshaltung meist eh schlechter als der erste.

An dieser Stelle muss ich wieder einmal die Idee der Bilder im Kopf erwähnen. Ich erwähne sie auch, weil sie sich - fast zehn Jahre nach ihrer Einführung - immer noch als eine der wirklich wirksamen, erfolgreichen pädagogischen Maßnahmen meines Vater-Seins erweist. Lolinger knipst zwar bisweilen wie wild mit dem Handy, aber wenn's drauf ankommt, bleibt sie stehen und schaut bloß. Und dann sagt sie: "Papa, das ist ein Kopfbild." Und dort halten die Bilder ja auch länger. Mit ein bisschen gesundheitlichem Glück bilden sie ganz am Ende einen schönen Abspann. Die Idee mit den Kopfbildern hat der deutsche Rapper Sido dann übrigens gestohlen und mit dem Hit "Bilder im Kopf" sehr viel Geld verdient. Wo ich die Idee damals gestohlen habe, fällt mir nicht mehr ein. Aber Sie können gern zugreifen. Auf innige Ideen, die Unglück vermeiden können, gibt es meiner Kenntnis nach kein Copyright.