Ein gelbes Leiberl hab' ich in Erinnerung. Mit Rennauto vorn drauf. Könnte ein Lotus gewesen sein, weil ich Ronnie Peterson cool fand. Vielleicht ein Ferrari, nicht wegen Lauda, sondern wegen Clay Regazzoni. Einen grün-schwarzen Trainingsanzug gab es auch. Der Prader Peter hat auf die Jacke Asterix und Obelix draufgezeichnet. Nie hatte ich aber ein rot-weiß-rotes Fußballleiberl à la Córdoba. Immer ging ich davon aus, es wäre mein Unvermögen am Ball, das eine Kickerkarriere verhinderte. Nun weiß ich's besser: Es war das fehlende T-Shirt. Eine Studie des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin macht sicher. Es wurde an 501 Beispielen die Botschaft von T-Shirts auf ihre Genderproblematik untersucht. Das Resümee: Wir streifen "Genderstereotype wie eine zweite Haut über". Grob lässt sich die Studie weiterdenken: Mädchen, die "Sweet" oder "Princess" auf seinem T-Shirt stehen haben, landen im Tussiland. Buben mit "Crazy" auf der Brust steht die Welt der Politik, der Banken und überhaupt des höheren Managements automatisch offen. Mädchen mutieren also per T-Shirt zu Prinzessinnen und Buben zu irgendeiner Figur aus "Star Wars". Oder zu Ronnie Peterson. Oder zu Asterix.
Ergriffen bin ich, dass mir nun klar ist, warum ich immer noch ganze Startaufstellungen der Formel 1 aus den späten 1970er-Jahren aufsagen kann. Und dass Asterix ein ewiger Held bleibt, hat denselben Grund: meine Kleidung. Da ist es Zeit, meinen Eltern dankbar zu sein, dass ich diese Leiberl hab' anziehen dürfen, obwohl sie aus einem gegenderten Blickwinkel gewiss zu männlich geprägt waren. Andererseits: Ich begegnete eh auch schon Mädchen mit T-Shirts, auf denen "Heldin" stand, und Fußballnationalteam-Trikots existieren seit geraumer Zeit in kleinsten Größen. Selbst wechselte ich längst zur T-Shirt-Einfärbigkeit. Lässt sich mit mehr kombinieren, sagen sie im G'wandg'schäft. Dass ich damit einen Schritt zur politischen Korrektheit vollzog, war so wenig zu ahnen, wie das geplant war. Gespannt aber warte ich auf die Auswirkungen eines Stramplers, den unser Kind trug. "Rock Star Baby" stand drauf. Da gelang eine unbewusste Vernetzung aller Genderwelten: crazy und sweet, Baby und Held. Das wird was werden!
Durch die Macht der T-Shirts erklärbar wird nun auch, dass ich das Trauma des niemals gekauften Fußballtrikots bewältigen konnte. Das war in Seattle, viele Jahre später, als ich schon männlich versaut und also für eine gerechte Welt verloren war. Ich kaufte ein Leiberl. Schwarz. Und vorn in dicken Buchstaben das Wort "Loser". Und wie ich das Leiberl jetzt wieder einmal herauskrame und über die welterschütternde Studie zur offenbar verheerenden Wirkung von T-Shirts im Geschlechterausgleichskampf nachdenke, wundere ich mich über zwei Dinge: Warum ist das "Loser"-Leiberl immer noch eines meiner liebsten? Und wie kann die Grammatik so versagen und "die Selbstironie" ein weibliches Substantiv sein?