Das Ende ist nahe! Hast du gehört, jetzt soll eine Frau die US-Notenbank führen! Der Kollege, der dies sagte, ist in Geschlechterfragen üblicherweise sattelfest und glaubhaft ein Verfechter einer fairen Verteilung von Geld, Macht und Arbeit zwischen seinesgleichen und Frauen. Warum er sich dennoch zu dieser lustig gemeinten Aussage hinreißen ließ, liegt auf der Hand. Es ist immer noch etwas Außergewöhnliches, dass Frauen in derartige Spitzenpositionen kommen wie eben die US-Ökonomin Janet Yellen.
Sie wird in der hundertjährigen Geschichte der ehrwürdigen und mächtigsten Notenbank der Welt die erste Frau an deren Spitze sein. Dass ihr Kontrahent um den Job, Lawrence Summers, einst an der Eliteuniversität Harvard über die Aussage stolperte, Frauen seien für die Wissenschaften weniger geeignet als Männer, ist eine hübsche Ironie des Schicksals.
Noch vor zehn Jahren gab es in jenen (politischen) Spitzenjobs, die über das Wohl und Weh der Weltwirtschaft entscheiden, keine einzige Frau. Mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff, der Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, und eben Yellen sind es demnächst vier.
Von null auf vier in einem Jahrzehnt, das ist doch etwas. Könnte man meinen. Der Anteil der weiblichen Vorstände in den 30 wichtigsten deutschen Börsekonzernen hat sich in zwei Jahren gar verdoppelt. Die absoluten Zahlen bleiben trotzdem ein Hohn: Von 189 deutschen DAX-Vorständen sind gerade einmal 14 Frauen. Und in den Geschäftsführungen der Top-200-Unternehmen in Österreich liegt der Frauenanteil bei 5,6 Prozent. Erfolgsgeschichten schauen anders aus.
Was nützt es da, dass eine 67-jährige Amerikanerin, die als "intellektuelles Licht der US-Notenbank" beschrieben wird, an deren Spitze kommt? Möglicherweise viel. Weibliche Vorbilder in der Arbeitswelt haben einen Einfluss auf andere Frauen. Sie helfen, Vorurteile abzubauen, und ziehen weitere Frauen an, die sich höhere und höchste Positionen vielleicht nicht zugetraut hätten.
Vor allem Männer argumentieren häufig, Frauen würden sich "die harte Arbeit da oben" ja gar nicht antun wollen, weil sie viel zu klug wären. Sie vergessen dabei, dass das Wollen ganz entscheidend auch davon abhängig ist, ob jemand erwarten kann, dass seine Anstrengungen auch zum Erfolg führen können und dass dieser Erfolg dann auch attraktiv ist.
Warum aber sollen sich Frauen für etwas abmühen, von dem sie ohnehin wissen, dass es keinen Sinn hat? Vorbilder wie Janet Yellen sind deshalb nicht nur ein Versprechen, sie zeigen auch, was schon alles möglich geworden ist.
Niemand wird heute noch die Leistungen von Janet Yellen oder Angela Merkel wegen ihres Geschlechts infrage stellen. Und für die meisten Chefs in Politik und Wirtschaft gehört es inzwischen zum guten Ton, in offiziellen Runden auf die große Bedeutung einer guten Verteilung von Frauen und Männern in allen Bereichen des Unternehmens hinzuweisen. Doch insgeheim schaut es anders aus. Einer Umfrage des Beratungsunternehmens McKinsey zufolge glaubt nur ein Drittel der männlichen Führungskräfte an das, was sie offiziell so generös dahinplappern. Sie sagen halt, was gerade angesagt und erwünscht ist. In Wahrheit wollen sie bei dem Thema nur eines: Ruhe.
Halten wir fest: Keiner bestreitet mehr, dass Frauen der proportionale Anteil an der Führung von Unternehmen oder Institutionen zusteht. Zweckdienliche Hinweise dazu finden sich in Gesetzen und Verfassung. Doch der gesellschaftliche Lernprozess gestaltet sich zäh. Das ist auch vor dem Hintergrund unverständlich, dass es die demografische Entwicklung eigentlich verbietet, auf weibliche Talente zu verzichten. Dazu kommen immer mehr Studien, die zeigen, dass Unternehmen mit einem Frauenanteil in der Führung, der mehr als einem Feigenblatt entspricht, wirtschaftlich besser abschneiden. So kommen laut einer Analyse der Schweizer Großbank Credit Suisse Unternehmen, in deren Führung Frauen beteiligt sind, besser voran als rein männerdominierte Konkurrenten. Sie haben höhere Eigenkapitalrenditen, weniger volatile Erträge und geringere Schulden.
So gesehen, müssen wir alle hoffen, dass Frau Yellen es schafft, die Welt zu retten. So theatralisch könnte man ihre Aufgabe beschreiben - angesichts einer Weltwirtschaft, die in der größten Verschuldung seit 1945 steckt und deren Finanzmärkte ständig Kapriolen schlagen.
Frauen können zudem hoffen, dass diese als furchtlose Person beschriebene Frau auch anderen Mut macht: Männern, damit sie Frauen Führungsaufgaben geben, und Frauen, dass sie das schaffen können.


