Beim Thema Handelsabkommen schrillen bei vielen die Alarmglocken. Oft verbinden Kritiker damit die Knebelung von Demokratien und die Ausstattung von weltweiten Konzernen mit Klagerechten gegen Staaten. Dass Handelsverträge aber auch Dinge regeln könnten, die zu einem gerechteren System in Ländern führen, wird in der Debatte meist ausgelassen.
Denn die Konfrontation Protektionismus versus Handelsabkommen genügt den meisten. Ein Blick dieser Tage nach Chile beziehungsweise Kanada zeigt, dass Handelsabkommen durchaus mehr bieten. Die beiden Länder haben gerade ihren 20 Jahre alten bilateralen Vertrag erneuert. Das Besondere daran ist, dass darin das Prinzip der Gleichheit der Geschlechter hinzugefügt worden ist. Kanadas Premier Justin Trudeau und Chiles Präsidentin Michelle Bachelet wollen mit dem neuen Kapitel mehr inklusives Wirtschaftswachstum erzeugen. Das heißt, sie wollen ein Wachstum, von dem alle etwas haben, also auch Frauen. Mit dem modernisierten Abkommen sollen Arbeitnehmerinnen und Unternehmerinnen künftig bessere Arbeitsbedingungen bekommen. Kanada ist damit das erste G20-Land, das die Geschlechtergleichheit als Prinzip explizit in einen Handelsvertrag schreibt. Doch Chile hatte schon zuvor eine ähnliche Abmachung mit Uruguay getroffen. Da stellt sich die Frage, warum im viel diskutierten Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada dazu keine Vereinbarung getroffen wurde. Warum kann man nicht festlegen, dass Länder, die Frauenquoten erfüllen, bessere Handelsbedingungen bekommen?
Generell ist es angesichts des Auseinanderklaffens der Gesellschaften, hier die Profiteure, dort die Abgehängten, nicht verständlich, dass man in Handelsverträgen nicht auch Themen wie Arbeitsrechte, soziale Standards oder eben Geschlechtergleichheit hineinbringt. Denn zu den Abgehängten in unseren Gesellschaften gehören auch die Frauen. Das wird zwar geflissentlich nicht erwähnt, aber Frauen sind bei den Einkommen und Vermögen genauso abgehängt wie bei den wichtigen Positionen in Wirtschaft, Öffentlichkeit und Politik.
Es gibt also auch etwas anderes als die protektionistische US-Wirtschaftspolitik von Donald Trump, der Handelsverträge mit anderen zwar auch abändern will, aber nur, um rein marktwirtschaftliche Verbesserungen auf Kosten von wem auch immer für sein Land zu erreichen. Damit ist Trump nicht allein, diese Denkweise ist die Grundlage der meisten Handelsverträge, in denen die politisch Stärkeren immer die Bessergestellten sind.
Dies wird aber den Gesellschaften in der heutigen Zeit nicht mehr gerecht. Kanada und Chile haben den entscheidenden Punkt getroffen, um die Menschen zu erreichen. Dass sie das akkurat über das Frauenthema gemacht haben, ist besonders schön.

