Es ist wichtig, zwei Dinge voranzustellen. Ich halte es für unangemessen, das Privatleben von Politikern in der Öffentlichkeit breitzutreten, und bin nicht erpicht darauf, über Beziehungen anderer zu schreiben. Der neue französische Präsident Emmanuel Macron und seine um 25 Jahre ältere Ehefrau Brigitte machen eine Ausnahme. Ihr Fall, besser gesagt, wie beide Menschen und ihre Beziehung in der Öffentlichkeit diskreditiert werden, schreit danach, näher betrachtet zu werden.
Drehen wir die Sache um: Sie, 39, wird Präsidentin, ihr Mann ist ein 64-jähriger früherer Lehrer. Das genügt nicht einmal für kleinere Wogen der Empörung wegen des Altersunterschieds oder schlüpfrige Mutmaßungen darüber, ob man die Frau schon ernst nehmen kann. Bei Macron haben Kommentatoren tatsächlich gefragt, wie so ein "Mama-Söhnchen" ernst genommen werden könne. Die Antwort ist einfach. Männer können ernst genommen werden, auch wenn sie keine Autorität über ihre Frauen haben. Zumindest in der westlichen Welt haben wir ja das Mittelalter bereits überwunden.
Im Fall des Paars Macron treten Altersdiskriminierung, Sexismus und Frauenfeindlichkeit gemeinsam auf. Es gibt kaum einen Beitrag über Brigitte Macron, ohne dass auf ihr Äußeres Bezug genommen wird. Als ob man sich für sie entschuldigen müsste, begleitet ein Satz die meisten Artikel: "Sie schaut viel besser und jünger aus, als sie ist." Ja, wie müssen denn 64-jährige Frauen ausschauen? Faltig und grau? Was haben wir für ein Bild von ihnen? Es dürfte das gleiche Bild sein, das alle Frauen über 30, 40, 50, 60, 70 . . . gleichermaßen belästigt und entwürdigt: Wer sich im Äußeren zu weit von einer 18-Jährigen wegbewegt, hat verloren. Männer hingegen werden im öffentlichen Bild im Alter immer interessanter. Donald Trump (70) im Vergleich zu Meryl Streep (67)? Irgendetwas scheint an der Theorie falsch zu sein.
Frau Macron, so meinen also viele, schaue jünger aus als 64, sie kleide sich aber zu jugendlich. Wo sind die Kleidervorschriften für über 60-Jährige? Wir wollen vorbereitet sein. Dem Modezaren Karl Lagerfeld gefällt Frau Macrons Erscheinungsbild übrigens.
Die richtigen Antworten auf all die Anfeindungen und Ungeheuerlichkeiten bezüglich eines Paars, das zwar Dekaden trennt, aber seit Dekaden miteinander glücklich ist, gibt Emmanuel Macron. Er hat angekündigt, dass seine Frau als First Lady eine bestimmte Rolle und Aufgabe bekommen werde. So, wie es auch Barack Obama mit seiner Frau Michelle gehalten hat. Und so wie der frühere US-Präsident scheut sich Macron nicht, seine gebildete und starke Frau öffentlich wertzuschätzen und seine Liebe zu ihr kundzutun. Starke Männer eben, die nicht nur für sich selbst erkannt haben, welche Kraft in einer ebenbürtigen Beziehung steckt, sondern dies auch erzählen. Das macht Frauen Mut und hoffentlich auch vielen Männern. Mit Macron steigt eine neue Art von Männern auf die politische Bühne, die den Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft ebnen können und die mutig genug sind, auf hinderliche Konventionen zu pfeifen. Dass Macron nun die Hälfte der Kandidatenliste seiner Bewegung für die Parlamentswahlen mit Frauen besetzt hat, passt ins Bild.

