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Wenn es beim Spiel zur Sache geht

Kommentatorinnen im Fußball: Das löst bei manchen noch immer Identitätskrisen aus.

Karin Zauner

Stunden vor dem Schreiben dieses Textes dreht sich der innere Monolog. Nein, ich schreibe nicht mehr darüber. Nein, ich bin ja nicht der Wetteransager im Film "Und täglich grüßt das Murmeltier". Nein, ich will nicht mehr ärgerlich sein, dass es immer noch Stoff für solche Texte gibt. Fazit nach Stunden: Der Text wird verfasst.

Weinstein wurde verurteilt, der Literaturnobelpreis wurde wegen eines Missbrauchsskandals ausgesetzt, Japans Olympia-Cheforganisator trat nach sexistischen Aussagen zurück. Aber im Fußball scheint es manchmal, als hätte es nie Sexismusdebatten gegeben. Bei jeder Großveranstaltung ums runde Leder müssen sich Kommentatorinnen öffentlich beschimpfen lassen. 2018 stockte der ZDF sogar sein Social Media Team auf, um die Shitstorm-ähnlichen Beleidigungen gegen Claudia Neumann, die WM-Spiele kommentiert hatte, zu löschen. Und auch bei der laufenden Europameisterschaft wird die Deutsche in sozialen Netzwerken mit unflätigen Worten kritisiert - nicht, weil sie Fehler macht, sondern, schlicht und ergreifend, weil sie eine Frau ist.

In Österreich kommt derzeit mit Anna-Theresa Lallitsch die erste Frau im ORF bei einem Fußball-Großereignis zum Einsatz. Hoffentlich hat sie sich bei den deutschen und internationalen Kolleginnen einiges abgeschaut, und meidet es, die Gehässigkeiten gegen sie nachzulesen. Ein besonderes Stück lieferte akkurat ein Kollege von ihr. Sportmoderator Othmar Peer attackierte Lallitsch wie folgt auf Facebook: "Sehe gerade im ORF das WM-Spiel RUS-Fin und höre gerade unsere Kommentation. Mir steht es ja nicht nicht zu, Kolleginnen zu kritisieren, noch dazu unsere ansonsten attraktiven und kompetenten ORF-Moderatorinnen - aber eine Livekommentatorin bei einem Fußballspiel ist leider ein Ärgernis für meine Ohren", schreibt Peer. Und weiter: "Weil eine Frau nun mal im Regelfall eine andere, höhere Stimmlage hat und wenn sie dann bei einer spannenden Aktion oder gar einem Tor die Tonleiter rauf muss, klingt das so gepresst und schrill, dass einem die Ohren weh tun." Peer hat den Facebook-Eintrag gelöscht. Gegenüber "Heute" legte er nach und sagte "Frauen können gerne Fußball moderieren, aber nicht kommentieren. Es ist ein Wahnsinn, wie es klingt, wenn es beim Spiel zur Sache geht."

Jeder darf Frau Lallitsch fachlich kritisieren oder abdrehen, wenn er sie nicht hören mag, aber der Kommentatorin und Frauen generell aufgrund einer anderen Stimmlage die Fähigkeit abzusprechen, ein Fußballspiel kommentieren zu können, ist aus der Mottenkiste der 1950er Jahre. Der Trost: Es hat sich seither viel verändert: Der Proteststurm fegt über den Herren hinweg, nicht über die Kommentatorin.