Verkehrsszene einer Großstadt. Sie spielt in Wien, aber sie könnte überall spielen. Die Großstadt zeigt sich in unserer Szene von ihrer grünen Seite: Aus einer U-Bahn-Station in Wassernähe strömen Männer, Frauen und vor allem Kinder ins Freie. Alle gehen über einen abschüssigen Gehweg zu den nahen Strandbädern und Liegewiesen. Im Sommer tun sie das zu Hunderten, dicht an dicht auf dem Gehweg.
Doch halt: Es ist kein richtiger Gehweg. Bodenmarkierungen weisen darauf hin, dass der Gehweg gleichzeitig auch ein Radweg ist. Viele Radfahrer fahren langsam und nehmen Rücksicht auf die zu Fuß gehenden Männer, Frauen und vor allem Kinder. Andere fahren zwischen den Passanten Slalom. Da der Weg bergab führt, tun sie das mit hohem Tempo. Gefähr liche Situationen sind programmiert.
Warum hier die Radler und Fußgänger in übler Weise auf einen schmalen Asphaltstreifen zusammengedrängt werden, erschließt sich nicht wirklich. Denn der schmale Asphaltstreifen verläuft entlang einer Straße, die genügend breit und nur wenig befahren ist. Die Radler könnten gefahrlos gemeinsam mit den Autos fahren. Man braucht hier überhaupt keinen Radweg.
Preisfrage: Warum wurde trotzdem ein Radweg auf den Gehweg gepinselt?
Noch eine Verkehrsszene. Eine breite Durchzugsstraße. Doch halt: So breit ist die Straße gar nicht mehr. Bauarbeiter haben mitten auf der Fahrbahn, wo einst eine dünne Sperrlinie war, eine Hunderte Meter lange, recht breite und völlig funktionslose Aufdoppelung aus Pflastersteinen errichtet. Durch dieses seltsame Bauwerk ist die Straße sehr schmal geworden. Die Autos müssen sich auf je einen knappen Fahrstreifen pro Fahrtrichtung beschränken. Und nicht nur die Autos: Ein auf die Fahrbahn gemalter Strich tut kund, dass der knappe Streifen auch als Radweg dient. Es handelt sich um eine künstlich geschaffene Gefahrenstelle: Wenn ein Autofahrer auf diesem engen Raum einen Radfahrer überholt, steht der Autofahrer mit einem Fuß im Kriminal und der Radfahrer mit einem Fuß im Krankenhaus. Wenn ein Linienbus kommt, kann er den Radler überhaupt nicht überholen, selbst wenn der Busfahrer das Risiko liebt. Drei Dutzend Businsassen müssen ihr Tempo dem Radfahrer anpassen.
Preisfrage: Warum verknappte man hier mithilfe teurer Granitwürfel vorsätzlich den Raum, statt diesen Raum als Verkehrsfläche für Radler zu nutzen?
Eine dritte Verkehrsszene. Straßenkreuzung. Tausende Menschen wechseln hier täglich von der Straßenbahn in die U-Bahn. Das ist nicht ungefährlich. Wer aus der Straßenbahn klettert, findet sich auf einem schmalen Inselchen wieder, an dem die Autos vorbeirasen. Das Gedränge ist groß, der Platz knapp, und man kann das Inselchen nur dann in Richtung U-Bahn verlassen, wenn die Autos zufällig Rot haben. Zusätzlicher Fußgängerübergang? Zusätzlicher Zebrastreifen? Fehlanzeige. Daher hasten viele Menschen direkt zwischen den fahrenden Autos von der Straßen- zur U-Bahn-Station und retour. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein schwerer Unfall passiert.
Preisfrage: Warum ermöglicht man den Öffi-Nutzern hier kein gefahrloses Umsteigen?
Die Antwort ist in allen drei Fällen dieselbe. Die Fehlplanungen sind darauf zurückzuführen, dass nicht die Menschen, sondern ideologisch-politische Überlegungen im Zentrum des Handelns stehen. Im Fall des unnötigen Rad streifens auf dem Gehweg geht es um eine Bilanzverschönerung mit dem Öko-Schmäh: Hurra, wir haben wieder ein paar Hundert Meter Radweg geschaffen, die wir in den stadteigenen Propagandapostillen bejubeln können! Auch wenn dieser Radweg die Gesundheit der Passanten gefährdet.
Im Fall der Granitwürfel, die den Lebensraum der Auto- und Radfahrer künstlich verknappen, geht es um ein verkehrspolitisches Statement, auch dieses verbunden mit dem Öko-Schmäh: Bei uns geben die Radfahrer das Tempo vor, die Autofahrer sollen gefälligst bremsen! Auch wenn etliche Autofahrer keineswegs bremsen, sondern mit viel zu knappem Seitenabstand an den Radlern vorbeirasen. Und diese damit an Leib und Leben gefährden. Egal! Das verkehrspolitische Statement ist zu wichtig, um der Unversehrtheit irgendwelcher Radler geopfert zu werden.
Und im dritten Fall handelt es sich, auch wenn dies in Kenntnis der beiden erstgenannten Fälle überraschend klingt, um eine Verbeugung vor der Autofahrerlobby. Ein zusätzlicher Zebrastreifen, gar eine Vorrangregelung für die aus der Straßenbahn aussteigenden Menschen würde ja den heiligen Verkehrsfluss beeinträchtigen. Daher dürfen die Autos rasen und die Öffi-Benützer müssen sich auf dem viel zu schmalen Verkehrsinselchen drängen.
Drei gefährliche Verkehrsszenen. Zwei sind dem Öko-Schmäh geschuldet, eine der Autolobby - und bei keiner einzigen steht das Wohl des Menschen im Mittelpunkt. Leider funktioniert Politik oftmals genau so. Nicht nur in Wien. Und nicht nur die Verkehrspolitik.