SN.AT / Kolumne / Lokalpatriot / Lokalpatriot

Die Ute Bock der Berge

Was bleibt eigentlich über, wenn sich die Weihrauch-Wolken gelichtet haben und sich der Dunst des Glühweins verzieht?

Heinz Bayer

Ist doch der Maya-Kalender schuld? Haben wir am End' nur das Jahr verwechselt und irgendetwas falsch verstanden? Oder gibt es neue konkrete Befürchtungen, dass heuer, am 25. Dezember, die Welt untergeht? Unwiderruflich?

Fest steht: Es ist was im Gange. Ganz sicher. Womöglich nichts Gutes. Denn, wenn man die Menschenmassen in Innenstädten und Supermärkten beobachtet, drängt sich der Schluss auf, dass bald Schluss ist. Nein, nicht Schlussverkauf, sondern, dass es nach dem 24. Dezember vermutlich nichts mehr zu kaufen geben wird. Over and out, meine Lieben. Rien ne va plus, meine Damen und Herren. Das kann schon irgendwie Angst machen. Oder?

Was bleibt eigentlich über, wenn die Geschäfte (fast) leergekauft sind? Wenn sich die Weihrauch-Wolken lichten, die salbungsvollen Worte verklingen und wenn sich der Dunst des Glühweins verzogen hat?

Vielleicht sind es ein paar Sätze und Erinnerungen, die heuer beim Adventsingen zu hören waren. Erinnerungen an Lisl Geisler, die Wirtin vom Tauernhaus in Krimml. Früh wurde sie Witwe, ließ sich aber nicht unterkriegen. Als nach dem Zusammenbruch der Südfront am 28. April 1945 der Rosenthalwirt Bruno Huber als erster von etwa 10.000 Heimkehrern die Krimmler Tauern Richtung Heimat überschritt, half sie. Organisierte, lief, packte an. Als dann, bei der "Judenflucht" im Sommer 1947, jede zweite Nacht bis zu 200 Vertriebene auf dem Weg nach Italien am Tauernhaus vorbeikamen, stand sie in der Küche, kochte "Papperl" für die kleinen Kinder, machte Tee und Eintopf für die Menschen, damit sie etwas Warmes zum Essen hatten. Auf der Veranda richtete sie ein Matratzenlager für die besonders Erschöpften ein.

Diese Lisl Geisler war keine Heilige. Sie war eine Art Ute Bock der Alpen. Eine patente Frau. Vor allem eine, die nie behauptet hat: "Das Boot ist voll."