Die Frage, ob ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter während des Krankenstands zu Hause aufsuchen darf, sorgt immer wieder für Diskussionen. Klar ist: Ein gesetzliches Verbot von Hausbesuchen zur Kontrolle des Krankenstands gibt es in Österreich nicht. Dennoch stößt ein solches Vorgehen rechtlich schnell an enge Grenzen. Der private Wohnbereich ist besonders geschützt, sowohl durch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch als auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention, die das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens garantiert. Wer krank zu Hause bleibt, muss also grundsätzlich keine ungebetenen Besucher aus dem eigenen Betrieb fürchten.
Im Einzelfall mag es Situationen geben, in denen ein Besuch durch den Arbeitgeber nachvollziehbar erscheint, etwa wenn ernsthafte Sorge besteht, dass der erkrankte Mitarbeiter in Not geraten sein könnte. Auch dann endet die Zulässigkeit aber an der Wohnungstür. Ein Betreten der Wohnung durch den Arbeitgeber oder durch von ihm beauftragte Personen - seien es Kollegen, Personalverantwortliche oder externe Kontrolleure - ist ohne ausdrückliche Zustimmung unzulässig. Arbeitnehmer sind keinesfalls verpflichtet, jemandem aus dem Betrieb die Tür zu öffnen oder gar die Wohnung betreten zu lassen.
Das Spannungsfeld zwischen berechtigtem Informationsinteresse des Arbeitgebers und dem Schutz der Privatsphäre ist rechtlich eindeutig zugunsten der Privatsphäre entschieden. Unternehmen haben andere Mittel, um die Richtigkeit eines Krankenstandes zu überprüfen. So kann der Dienstgeber eine Krankenstandsbestätigung verlangen, im Streitfall eine amtsärztliche Untersuchung veranlassen oder im Rahmen arbeitsrechtlicher Schritte gegen möglichen Missbrauch vorgehen. Ein Hausbesuch hingegen eignet sich nicht als zulässige Kontrollmaßnahme, sondern wird von Gerichten regelmäßig als unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre angesehen.
Für die Praxis bedeutet das: Auch wenn ein Arbeitgeber Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Krankenstands hat, darf er, um diese auszuräumen, keine Besuche an der Wohnadresse durchführen. Selbst wenn die Intention harmlos wirkt, etwa ein "freundlicher Kontrollbesuch" durch einen Kollegen, bleibt die rechtliche Bewertung kritisch. Eine Krankenstandsüberprüfung hat auf formalem Weg zu erfolgen - durch medizinische Bestätigung, nicht durch Hausbesuche.
Auf einen Blick: Hausbesuche des Arbeitgebers zur Kontrolle von Krankenständen sind in Österreich nicht ausdrücklich verboten, stellen aber einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre dar. Spätestens an der Wohnungstür ist Schluss - Arbeitnehmer müssen niemanden aus dem Betrieb in ihre eigenen vier Wände lassen.
Birgit Kronberger ist Arbeitsrechtsexpertin (Geschäftsführerin www.vorlagenportal.at)