"Am 11. März verließen wir Butscha. Dabei gingen wir an Leichen vorbei, darunter waren auch einige Bekannte. Ich war stark und konnte fast nicht weinen. Seit gestern fühle ich mich verloren. Ich unterdrücke meine Emotionen. Aber meine Kräfte sind fast erschöpft. Ich brauche Hilfe und Rat, möchte mit jemandem sprechen. Ich habe Schuldgefühle und mache mir Sorgen, weil ich nichts unternehmen kann und mir in diesen schweren Zeiten als nutzlos vorkomme."
"Nachdem wir aus der Ukraine ausgereist sind, habe ich die ganze Zeit das Gefühl, dass mir etwas fehlt. Ich bin hier allein mit zwei Kindern, mein Mann ist nicht bei mir, emotional und psychisch ist es sehr schwierig. Hier scheint alles gut und ruhig zu sein. In meinen Gedanken bin ich aber jeden Tag immer noch zu Hause. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, und habe große Angst. Das zweite Kind ist sehr klein, nur sechs Monate alt. Ich habe einen großen Wunsch, nach Hause zurückzukehren. Sagt mal, ist jemand schon nach Hause zurückgekommen? Wir sind aus Lemberg, die Stadt scheint relativ ruhig zu sein. Ich bin noch im Zweifel."
"Schon seit drei Tagen träume ich von dem Krieg und sehe im Traum, wie mein Haus zerstört wird. In der Nacht habe ich überhaupt keine Gedanken über den Krieg, keine Ahnung, warum ich davon träume. Eine seltsame Empfindung. Gestern ging es mir gut, ich war 100% in Ordnung und sicher, dass der Krieg bald endet und alles gut wird. Heute aber sitze ich da und kann mir nicht vorstellen, wie er weitergeht. Ich habe das Gefühl, dass es für immer so sein wird. So geht es mir alle Tage. Keine Stabilität, kein Gleichgewicht."
"Ich habe ein Problem mit Beinmuskelkrämpfen in der Nacht. Ich wache 6-10 Mal pro Nacht auf. Die Krämpfe hat es zum ersten Mal im Keller gegeben. Nachdem ich evakuiert worden bin, hatte ich keine mehr. Jetzt habe ich sie wieder. Könnte man etwas gegen solche Reaktionen empfehlen, soll man das als psychologische Reaktionen deuten?"
"Meine Familie und ich sind aus Charkiw nach Spanien gekommen. Unser zehnjähriger Sohn geht hier jetzt in die Schule, sein Verhalten ist aber sehr seltsam, er wird übererregt und reagiert akut auf Kinder und Erwachsene. Heute hat man uns zum Gespräch eingeladen: Er soll mit einer Schere andere Kinder bedroht haben. So etwas kam früher nie vor. Was sollen wir tun?"
"Ich bin aus Mykolajiw. Meine Eltern sind noch in der Stadt, ich mache mir große Sorgen um sie. Ich verbleibe zurzeit in der Region Mykolajiw. Das Problem ist wie folgt: Meine Mutter ist eine religiöse Fanatikerin, ihr Glaube macht für sie das Leben aus, sie geht in die Kirche des Moskauer Patriarchats, wo man ihr Scheiß erzählt, dass die Russen Befreier und Retter sind und dass die Ukraine sich selbst bombardiert. Mein Vater (geschieden) wirft mir einen Verrat vor und sagt, ich hätte die ganze Familie von sieben Menschen evakuieren müssen. Jetzt ist er mir böse und spricht nicht mehr mit mir. Das macht mich verrückt und einsam (als ob die Umstände selbst nicht schlimm genug wären)."
"Bitte um Hilfe. Panik, Entsetzen, Schlaflosigkeit. Aus irgendeinem Grund möchte ich durch die Straßen wandern. Es begann mit dem Krieg."
"Bitte um Betreuung. Wir befinden uns auf dem besetzten Territorium. Die Front rückt immer näher. Manchmal gibt es Routen auf Dorfwegen, auf denen man ausreisen kann. Auf der ersten Route war es zuerst sehr ruhig, dann wurden Autos beschossen und Minen gesprengt. Jetzt gibt es eine alternative Route. Mein Mann verlangt, dass wir wegfahren, und ich habe Angst, mich mit dem 2-jährigen Kind auf den Weg zu machen. Selbst beim Gedanken muss ich mich schütteln. Ich weiß nicht, wie ich meine Angst überwinden kann."
"Mein Mann ist beim Militärdienst, ich bin allein geblieben. Ich habe Angst vor Sirenen, vorm Alleinsein. Ich werde apathisch, ich esse nichts, ich schlafe nicht, mein Leben ist automatisch. Ich komme mir verrückt vor."
"Das Kind, ein Sohn, ist sieben Jahre alt. Wir sind aus Kyjiw. Jetzt sind wir in Sicherheit, aber er schlägt und schreit, sagt, dass er Mama (mich also) hasst und dass er sterben will."
Daryna Melashenko ist 26 Jahre alt und ist von Bojarka bei Kiew nach Lemberg geflohen.

