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Am Anfang war das Parteibuch

Alexander Purger

Der Sündenfall passierte relativ früh, nämlich gleich nach dem Aufstehen. Frisch ausgeschlafen lustwandelten Adam und Eva splitterfasernackt (also ohne Mitführung eines Parteibuchs) durch das streng überparteiliche Paradies und kannten das Wort Parteibuchwirtschaft nicht einmal vom Hörensagen. Da aber kamen sie am Baum
der Bedrängnis vorbei.

Im Geäst ringelte sich eine Schlange und offerierte Eva mit verführerischem Züngeln das Böse an sich: ein rotes Job-Ticket für die Salzburg AG. Adam - ein bedingungsloser Anhänger der objektivierten Postenvergabe - riet Eva von der Annahme des kriecherischen Offerts dringend ab, doch diese - eine ebenso bedingungslose Anhängerin des Gender-Mainstreamings - antwortete, von einem Mann lasse sie sich überhaupt nichts sagen, und griff zu.

Kaum aber hatte sie den lukrativen Job bei der Salzburg AG in der Tasche (so weit Nackerte halt eine Tasche haben können), fiel es beiden wie Schuppen von den Augen: "Aber du bist ja kein Parteimitglied!", riefen sie einander mit schreckgeweiteten Augen zu. Eilig bedeckten sie ihre Blößen mit einem roten (Eva) bzw. einem schwarzen (Adam) Parteibuch. So kam der Proporz in die Welt. Der Gott der Objektivierung sah, dass das nicht gut war, und vertrieb die beiden mit seinem flammenden Überparteilichkeitsschwert aus dem Paradies.

Das war den beiden aber relativ egal. Sie gingen ihrer Wege, und diese Wege waren getrennt. Eva nächtigte nur in Naturfreunde-, Adam ausschließlich in Alpenvereins-Hütten. Eva rief bei Autopannen den ARBÖ, Adam den ÖAMTC. Eva grüßte mit "Taaag", Adam mit "'s Gott". Trotz dieser kulturellen Diversifizierung veranstalteten sie mitunter Gipfeltreffen und Reformdialoge für ein konstruktives Miteinander. Eine dieser Klausurtagungen verlief in einer derart fruchtbaren Arbeitsatmosphäre, dass ihr Kain und Abel entsprangen. Beide wurden schon mit Parteibuch geboren.

Als die Brüder heranwuchsen, kam es zwischen ihnen zu einer unschönen Auseinandersetzung um einen lukrativen Vorstandsposten in der Salzburg AG. Die Folgen dieses erbitterten Machtkampfs sind bekannt. Ihm fiel ein Viertel der damaligen Menschheit zum Opfer. Der Gott der Objektivierung sah, dass das nicht gut war. So kam der Zweier-Vorstand in die Welt.

Doch immer wieder knirschte Sand im Getriebe der Parteibuchwirtschaft. Eine Außenstelle der Salzburg AG im italienischen Canossa galt als rein schwarze Hochburg, woraufhin der rote Betriebsrat mitten im Winter barfuß über die Alpen zog und drei Tage und drei Nächte im Büßergewand vor der alarmgesicherten Eingangsschleuse der Burg ausharrte, bis die Schwarzen ein Einsehen hatten und den Roten die Tore öffneten.

Noch Dramatischeres ereignete sich in der Filiale Prag-Hradschin. Hier wurden die Schwarzen systematisch benachteiligt, woraufhin ihnen der spitzenbesetzte Kragen platzte und sie kurzerhand drei rote Beamte (allesamt Mitglieder des Büros für objektive Postenvergabe) aus dem Fenster warfen. Dieser Prager Fenstersturz zog einen 30-jährigen Krieg nach sich, der sich auf die gesamte Salzburg AG verheerend auswirkte. Schließlich konnte er aber durch den Westfälischen Frieden beigelegt werden, der das Prinzip "Cuius regio, eius religio" bekräftigte: Die Farbe des Parteibuchs des Abteilungsleiters entschied über die Parteimitgliedschaft aller seiner Untergebenen. Und der Gott der Objektivierung sah, dass es nicht gut war.

Dennoch war dieses Prinzip so erfolgreich, dass es vom Land, vom Bund, von der EU und von weiß der Teufel noch wem übernommen wurde. Wenn der Mensch dereinst auf dem Mars landen sollte, wird er dort nicht von kleinen grünen Männchen, sondern von einem paritätisch besetzten rot-schwarzen Empfangskomitee begrüßt werden. Warum? Weil es - siehe oben - schon seit Adam und Eva so ist.